Anstam

ANSTAM – STONES AND WOODS

Anstams Debütalbum „Dispel Dances“ war GROOVE Magazins „Album des Monats“ und bekam weltweit fantastische Reviews. Nun ist es an der Zeit für einen Nachfolger: Zugänglicher als das Debütalbum, aber immer noch ein Kunstwerk eigener Klasse. Ein selbstbewusstes Statement voller Innovation und absoluter Perfektion.

Anstam
Anstam
Wenn „Dispel Dances“ die Reise tief in Anstams Herz war, dann ist „Stones and Woods“ das Tagebuch des Dortlebens.

Prolog Anstam

„Während des letzten Jahres erklärte ich in Interviews immer wieder, warum ich damals Mitte der Neunziger anfing, digitale elektronische Set-Ups für meine Musikproduktion zu benutzen. Ich war von Anfang an nie an analoger Hardware interessiert, ehrlich gesagt habe ich noch nie irgenwelche Hardware Synthesizer, Effect Processors oder Drum Machines besessen.

Ich war damals einfach nicht an Knopf-Dreh- / Pattern-basiertem Techno interessiert. Ich wollte komponieren. Mich interessierten Noten. Von daher wurde der Computer ein wunderbarer Ersatz für ein eigenes kleines Orchester.

Anfänglich war es ein ziemlich billig klingendes Orchester, da ich nur einen Amiga 500 und eine Sampler-Kassette in 8 Bit-Qualität hatte. Das störte mich allerdings nicht, da mein Fokus auf den Noten lag, auf der Komposition. Eigentlich war es die beste Schule, durch die ich hätte gehen können, weil ich wirklich lernen musste, mit Sound umzugehen, Leben in diese toten Daten einzuhauchen.

Und genau darum ging es mir ja. Ich versuchte, etwas von der Eleganz und dem Organischen eines physisch gespielten Instruments in die elektronische Musik mit einzubringen. Und das war damals – in einer Zeit ohne Battery 3 oder einer 14 GB Kontakt Drum Library mit 127 Velocity Layers – wirklich harte Arbeit.

Ich kenne drei Veröffentlichungen elektronischer Musik aus der Mitte der neunziger Jahre, die genau das schafften, was ich auch versuchte zu tun. Das gab mir den Glauben und das Vertrauen darin, dass, egal welches Setup man als Musiker oder Komponist benutzt, man immer seine eigenen Regeln aufstellen kann. Sogar in elektronischer Clubmusik.

Diese drei Releases waren Experimental Audio Research „The Köner Experiment“, Mike Ink „Polka Trax“ und Squarepusher „Hard Normal Daddy“. Alle drei Veröffentlichungen haben ihren ganz eigenen Twist und gaben elektronischer Clubmusik eine neue Ernsthaftigkeit.

Das war also ich 1997. Tief inspiriert von der unglaublichen Coolness von Steve Reich, dem unbegreiflich fortschrittlichen Frank Zappa, dem brutalen Epos norwegischen Black Metals und der neuen Freiheit in der elektronischen Musik. Es war eine tolle Zeit. Keine Eingrenzungen. Keine Genres. Keine Regeln. Keine Blogs. Kein Soundcloud. Kein Facebook. Nur ich mit mir selbst. Plus dem Willen, etwas Wertiges zu schaffen.

In den letzten 10 Jahren habe ich diese Geisteshaltung etwas aus den Augen verloren. Ich habe studiert, Moderne Kunst geschaffen und ausgestellt, Konzerte gespielt, Musik produziert und herausgebracht. Das, was ich tat, gelangte mehr und mehr in die Öffentlichkeit, was für mich bedeutete, dass meine persönlichen Entscheidungen immer mehr von meinem sozialen Umfeld gefärbt wurden. Durchaus normal und nichts, um sich zu beunruhigen. Aber ich vermisste das Gefühl, das ich beim Musikmachen in Form des isolierten Selbstexperiments hatte. Also ging ich dahin zurück und fing an, am Anstam-Album „Dispel Dances“ zu arbeiten. Und fing genau dort an – bei der Euphorie, die ich 1997 gefühlt hatte. Genau die wollte ich in Anstam wiederfinden.

Mein Debütalbum „Dispel Dances“ war die Reise dorthin, das Ankommen im Neuen und dem Zurücklassen von Altem. Alles das, was Anstam sein kann und könnte, blitzte in „Dispel Dances“ bereits hervor. Zwangsläufig lief es direkt auf das große Unbekannte zu, mit all dem Guten und Bösen darin.“

„Stones and Woods“

ANSTAM - STONES AND WOODS
ANSTAM – STONES AND WOODS
„Das zweite Anstam-Album „Stones and Woods“ handelt nicht mehr vom Suchen, sondern vom Beobachten. Man ist bereits dort. Tief im Herzen von Anstam. Man ist dort und nimmt sich Anstams Eigenheit an. Man wird Teil des Ganzen.

Die ganze Dynamik von „Stones and Woods“ besteht aus in sich geschlossenen Kreisen. Ein Tag. Ein Jahr. Wer weiß? Aber es gibt immer einen Anfang und ein Ende. Jeder der neun Tracks ist vollkommen ausgearbeitet, ein für sich selbst stehendes Dokument.

Ich habe „Stones and Woods“ wie ein 80er Jahre-Album strukturiert. Nicht zu viele Songs, aber jeder erzählt seine eigene Geschichte. Es gibt Tanzstücke, sentimentale Nummern und fordernde Stücke, der ganze Zirkus. Und das Album ist viel fragiler als „Dispel Dances“. „Dispel Dances“ war voller Stolz und unerbittlich in seiner Rigorosität. Ich schätze, „Stones and Woods“ ist offener für das Gefühl der Introvertiertheit, dem Emotionalen und Sensiblen allgemein. Genau das macht Anstam jetzt kompletter und zugänglicher – es wird ein Zugang auch zu Schwächen offeriert.

Aber natürlich ist es immer noch ein experimentelles Album. So wie alles andere Anstam-Material hat es einen fundamentalen progressiven Zugang und gibt auf keinen Fall einfache Antworten. Aber es ist zugänglich und hat wieder eine eigene Art Eleganz und Natürlichkeit im organischen Sinne, welche Leben in die toten Daten bringt. Es wird zu etwas Selbstverständlichem, wie Steine und Holz und Staub und man selbst.“

Lars Stöwe // Anstam