Die amerikanische Jazzsängerin Stacey Kent hat Frankreich fest in ihr Herz geschlossen – und Frankreich wiederum die aparte Sängerin, die gleichwohl bei Kollegen, Kritikern und Fans in den USA und Europa als eine der außergewöhnlichsten Künstlerinnen ihrer Art geschätzt wird.
Stacey KENT "Raconte-moi..."
Mit ihrem letzten Album „Breakfast On A Morning Tram“, das im Jahr 2007 zugleich ihr Blue-Note-Debüt markierte, hatte sie in Frankreich Platin erreicht und damit ihren bis dato größten kommerziellen Erfolg erzielt.
Von der französischen Kulturministerin war sie im Frühjahr letzten Jahres dafür sogar mit dem Orden für Kunst und Literatur (L’Ordre des Arts et des Lettres) ausgezeichnet worden. Dabei waren auf dem hochgelobten Album lediglich drei Songs in französischer Sprache zu finden: zwei Interpretationen von Serge-Gainsbourg-Chansons sowie „Samba Saravah“ aus dem Claude-Lelouch-Filmklassiker „Ein Mann und eine Frau“.
Seit ihrem 1997er Debütalbum „Close Your Eyes“ hatte sich Stacey Kent vor allem als erstklassige Interpretin des Great American Songbook hervorgetan, auf ihrem neuen Album „Raconte-moi…“ widmet sie nun ihr Ausnahmetalent voll und ganz dem französischen Liedgut.
Ein Dutzend Kompositionen – von ausgewiesenen Klassikern des Chansons bis hin zu wunderbaren Liedern hierzulande noch recht unbekannter Künstler – hat Stacey Kent ausgewählt und verwandelt diese mit Charme, Finesse und Verve in pointiert-moderne, bisweilen melancholische, doch stets bezaubernde Jazzballaden.
Den Auftakt macht die französische Version von Antonio Carlos Jobims Bossa-Nova-Klassiker „Águas de Março“, den Georges Moustaki 1973 unter dem Titel „Les eaux de Mars“ in Frankreich bekannt gemacht hatte. Unter den Fittichen von Stacey Kent bekommt dieses Lied eine wunderbare Leichtigkeit und ein pastellfarben-instrumentales Gewand.
Mit „Jardin d’hiver“, komponiert von Keren Ann und Benjamin Biolay, zwei der führenden Vertreter des Nouvelle Chanson, hatte die inzwischen verstorbene Gesangslegende Henri Salvador im Jahr 2000 ein überraschendes Comeback eingeleitet.
Die zarte Interpretation dieses wunderschönen Titels darf durchaus als Hommage an Salvador betrachtet werden. Mit „Au coin du monde“ hat Kent zudem noch ein weiteres Juwel von Keren Ann adaptiert.
Der Titelsong „Raconte-moi“ wie auch das als erste Single auserkorene „La Vénus du Mélo“ stammen von der jungen Sängerin Emilie Satt, die beide Titel exklusiv für Kent schrieb, aber kurioserweise ihre eigenen Songs in englischer Sprache singt.
Zu den weiteren jungen Talenten, die allesamt zu erklärten Fans von Stacey Kent gehören und exklusiv für die Amerikanerin ihr Können aufblitzen lassen, zählen Claire Denamur („Mi amor“), Pierre-Dominique Burgaud („Désuets“) und Camille D’Avril, die Kent einige Male mit Begeisterung live erlebt hatte und daraufhin den Songtext zu „Sait-on jamais?“ schrieb, den Jim Tomlinson dann einfühlsam vertonte. Stacey Kent demonstriert mit dieser Auswahl frischer und unverbrauchter Autoren auch ihr Gespür für die Reize und den Reichtum zeitgenössischer Musik mit dem Prädikat made in France.
Zu den weiteren Klassikern auf „Raconte-moi…“ zählen „C’est le Printemps“ (im Original „It Might As Well Be Spring“), ein durch Größen wie Frank Sinatra, Nina Simone und Blossom Dearie im Great American Songbook verewigter Standard, und das durch die legendäre Chansonsängerin Barbara berühmt gewordene „Le mal de vivre“.
Zu den Entdeckungen aus der prall gefüllten Schatzkiste französischer Chansons zählen dagegen das aus dem Jahr 1975 stammende „Les vacances au bord de la mer“ von Michel Jonasz und Paul Misrakis „L’etang“, das ursprünglich auf dem Soundtrack des 1958 gedrehten Films „Sans familles“ zu finden war. Umso erstaunlicher ist es, dass die zwölf Songs wie aus einem Guss wirken.
Stacey Kent versteht es wie wenige andere Künstlerinnen unserer Zeit, Gefühle in einem Song zu verdichten, eine besondere Stimmung zu erzeugen, ganz so, als wolle sie ihr Publikum ins Vertrauen ziehen, ihm ein Geheimnis mitteilen. Dass ihre wunderbaren Interpretationen in erstklassige Arrangements getaucht sind, dafür trägt vor allem ihr Lebensgefährte Jim Tomlinson die Verantwortung.
„Raconte-moi…“, daran besteht nicht der leiseste Zweifel, ist ein weiterer Meilenstein im Schaffen von Stacey Kent, die sich, mühelos zwischen Chanson und Jazz schwebend, ihre ganz eigene, genreübergreifende Kunstgattung frankophiler Klänge geschaffen hat.
Stacey Kent, die ursprünglich aus New Jersey stammt und heute in Colorado lebt, hatte sich schon in jungen Jahren für Jazz begeistert, aber auch für Filmkomödien und Musiker wie Neil Young und Cat Stevens. Nach einem Studium der vergleichenden Literaturwissenschaften an einem New Yorker College ging sie nach London und studierte an der Guildhall School of Music and Drama, wo sie ihren späteren Ehemann und Produzenten, den Jazzsaxophonisten Jim Tomlinson, kennenlernte.
Aus dieser Liaison erwuchs ein fruchtbares Künstlergespann, das zu einigen der schönsten Werke geführt hat, die der Jazzgesang des 21. Jahrhunderts bislang hervorgebracht hat. Stacey Kent hat sich dem Great American Songbook mit derselben Hingabe gewidmet wie der brasilianischen Musik, sie hat auf das Schaffen von Fred Astaire und auf die Songkunst von Richard Rodgers ganze Alben verwendet – all das ist auch entsprechend honoriert worden.
In den Jahren 2001 und 2002 wurde Stacey Kent bei den British Jazz Awards zur besten Jazzsängerin gewählt, während „The Lyric“, das Album ihres Mannes, auf dem sie als Sängerin glänzte, bei den BBC Jazz Awards 2008 zum Album des Jahres gekürt wurde. Ihr im Jahr 2003 veröffentlichtes Album „The Boy Next Door“ hatte sich bereits 35 Wochen in den amerikanischen Billboard-Charts gehalten.
Der endgültige kommerzielle Durchbruch erfolgte dann mit dem Wechsel zu Blue Note: „Breakfast On The Morning Tram“, zu dem übrigens der Schriftsteller und Booker-Prize-Gewinner Kazuo Ishiguro einige Songtexte beisteuerte, avancierte zum internationalen Bestseller und wurde 2008 für einen Grammy nominiert. Hierzulande steht das Album kurz vor der Auszeichnung mit einem zweiten German Jazz Award – ein Double, das für die sympathische Künstlerin auch in Deutschland der bislang größte Erfolg wäre.
Allein in Frankreich wurden von „Breakfast On A Morning Tram“ mehr als 150.000 Alben verkauft, was eine ausverkaufte Tournee nach sich zog, die in einem umjubelten Konzert im Pariser Olympia gipfelte. Doch Stacey Kents innige Beziehung zu Frankreich, die nun fast zwangsläufig zu „Raconte-moi…“ geführt hat, wurzelt auch in ihrer Familiengeschichte. Bereits ihr Großvater hatte lange Zeit in Paris gelebt.
Stacey Kent hat es ihm gleichgetan und selbst enorm viel Zeit in Frankreichs Hauptstadt verbracht. Wie sehr sie die französische Kultur mittlerweile verinnerlicht hat, dafür ist „Raconte-moi…“ ein strahlendes, ja ein superbes Beispiel. Für diese generationsübergreifende musikalische Großtat muss man Stacey Kent einfach ins Herz schließen, selbst wenn man nicht französischen Ursprungs ist.
„Never change a winning team“ – die Erfolgsformel des Mannschaftssports gilt in der Kunst gerade nicht.
Tord Gustavsen Ensemble "Restored, Returned"
Im Gegenteil: Wer nicht beizeiten auswechselt, wer sich nicht schon in der kreativen Hochphase der Veränderung stellt, droht zu stagnieren. Was gestern noch frisch und vital schien, kann morgen schon seine Kraft erschöpft haben. Also gilt es, rechtzeitig Neues zu wagen. Drei ausnehmend erfolgreiche Alben hat Tord Gustavsen mit seinem Trio bei ECM vorgelegt.
Mit „Changing Places“ tauchte er 2003 in eine melodische Welt ein, deren Poesie von Anfang an aus denkbar vielfältigen Quellen schöpfte: Aus Blues und Gospel, New Orleans Jazz und nicht zuletzt aus der Kirchenmusik seiner skandinavischen Heimat.
2005 folgte „The Ground“, noch konzentrierter, noch verinnerlichter, und weitere zwei Jahre später markierte „Being There“ eine Art Ankunft, den Abschluss einer Trilogie. Jede dieser Aufnahmen folgte ihrem je eigenen narrativen Bogen, der bewirkte, dass die Stücke einerseits für sich standen, andererseits jedoch immer als Teil eines großen Ganzen erschienen.
Mit „Restored, Returned“ schlägt der „ewige Geschichtenerzähler“ (Stuart Nicholson) nun ein neues Kapitel auf. Mats Eilertsen hat Harald Johnsen am Bass abgelöst, der Saxofonist Tore Brunborg erweitert die Gruppe zum Quartett; in einigen Tracks wächst es mit der Blues-getränkten Stimme Kristin Asbjørnsens gar zum Quintett an. Weniger an der Klangfülle eines solchen Ensembles ist der Norweger dabei interessiert als an der Vielfalt der Besetzungsvarianten.
So spielerisch wie konsequent erkundet er die Duo-, Trio- und Quartettkonstellationen, mit denen er jeweils unverwechselbare klangliche Situationen schafft.
„Ich hatte das nicht wirklich geplant“, sagt Tord, „es ergab sich so. In den letzten Jahren habe ich sehr viel Duos gespielt, sowohl mit Kristin als auch mit Tore. Die Durchsichtigkeit und Flexibilität solcher Dialoge spricht mich sehr an, und in den abstrahierten Wiegenliedern wie dem ersten und letzten Stück dieses Albums bekomme ich so genau den fragilen und doch beruhigenden Klang, der die Melodien leuchten lässt.“
Ausgangspunkt des Projekts war ein Auftrag des Vossajazz Festivals, bei dem sowohl gesprochene als auch gesungene Vokalaktionen einbezogen wurden. Für die gesungenen Parts hat Gustavsen Verse des englischen Dichters W. H. Auden aus dem Band „Another Time“ von 1940 ausgewählt. „Was mich sofort ansprach, als ich Audens Gedichte kennen lernte, war ihre Verbindung von Klarheit und Geheimnis. Ich möchte, dass sich die Lyrik in Verbindung mit Musik sofort erschließt, sie soll eine unmittelbare sinnliche Wirkung haben und zugleich zum nochmaligen Lesen, Nachdenken und –horchen einladen.“
Balladen und Hymnen, Minimalistisches und Folkloristisches, der Süden der USA und der Norden Europas: So heterogen sich die Tonfälle von Tord Gustavsens neuer Musik auf den ersten Blick ausnehmen mögen, so harmonisch schließen sie sich zur kohärenten musikalischen Erzählung zusammen. Einem Wiegenlied für Tore Brunborgs Tenorsax folgt ein improvisiertes Instrumentalduo, das sich später zum Trio entwickelt.
In „Lay Your Sleeping Head, My Love” betritt Kristin Asbjørnsens raue Stimme die Szene, und damit jener Gospel-Tonfall, der „Restored, Returned“ seine schwermütig-dunkle Note verleiht. „Ich mag es, wenn die Songs und Melodien eines Albums auch als einzelne Stücke bestehen können, wenn sie wie kleine ‚Mantras’ funktionieren“, sagt Gustavsen.
Gar nicht so leicht zu bestimmen, was die unbezweifelbare Geschlossenheit des neuen Albums eigentlich ausmacht. Der lyrische Ernst von Gustavsens Musik mag eine Rolle spielen, die Sparsamkeit seiner Arrangements. Vor allem aber jenes leise, nachdrückliche Singen, das ganz von Innen kommt. „Silence invades the breathing wood,/ Where drowsy limbs a treasure keep”, heißt es in W. H. Audens Gedicht „Restored, Returned“. Wer weiß, vielleicht wird dieser Schatz hier gehoben…
„Pat Metheny: The Orchestrion Tour”: Das ist gewiss die sonderbarste Überschrift, unter der jemals eine Tournee des bedeutendsten Jazzgitarristen unserer Zeit angekündigt wurde.
Pat Metheny Orchestrion
Wir kennen Musik von ihm in allerlei Kombinationen – mit der Pat Metheny Group, im Trio, im Duett mit Charlie Haden oder Ornette Coleman, bei Joni Mitchell, ja, selbst mit Orchesterbegleitung – und immer wieder solo.
Jeder, der Pat Metheny schon einmal im Konzert erlebt hat, weiß, dass sich dieser anscheinend ewig jungenhaft wirkende Musiker im quergestreiften Matrosen-Sweatshirt gerne auch mal alleine vorn an die Bühnenkante setzt und unvermittelt auf der akustischen Gitarre loszuklampfen beginnt, als säßen wir alle ums Lagerfeuer. In solchen Augenblicken öffnet sich über jedem Konzertsaal dieser Welt in der Decke ein imaginäres Loch, durch das der weite Himmel von Missouri sein Sehnsuchtslicht hinabgießt.
Die Musik versetzt uns in jene Jahre, in denen Pat Metheny hinter dem elterlichen Haus in Lee’s Summit mit seiner Gitarre im Garten saß, Läufe und Akkordprogessionen übte und offene Stimmungen und Voicings ausprobierte. Stundenlang, bis ihm die Augen zufielen.
Pat-Metheny-Fans wissen natürlich, dass in der Brust dieses Landeis aus dem Heartland of America auch das Herz eines brillanten Jazzmusikers schlägt – und das eines Sound-Futuristen. Auf seinem heiß geliebten Gitarrensynthesizer produziert Metheny neben virtuosen und ausgiebigen Soli auch orchestral aufgefächerte Klänge. Aber Orchestrion? Ein Orchestrion ist das blanke Gegenteil des Solospiels – und zugleich dessen Apotheose.
Im 19. Jahrhundert entwickelten ein paar Tüftler im Schwarzwald und in Sachsen monströse mechanische Musikinstrumente, die den Bläserklang eines ganzen Orchesters wiedergeben konnten. Die Ungetüme standen in Hotelhallen und anderen großen Sälen, sie wurden erst per Kurbelantrieb in Gang gesetzt, später mit Motorkraft, und was sie spielen sollten, gaben ihnen Lochkarten vor. Im frühen 20. Jahrhundert gelang es den Instrumentenerfindern sogar, eine oder mehrere Geigen einzubauen, die mechanisch gestrichen wurden. Die Erfindung der Schallplatte war dann des Orchestrions rascher Tod.
Was Pat Metheny bewog, diese schöne Leich’ aus dem Friedhof überlebter Instrumente zu neuem Leben zu erwecken, liegt auf der Hand. Er hat doch schon mit allen Musikern zusammengespielt, deren Stimme im Jazz etwas gilt. Warum da nicht einmal ein musikalisches Universum erschaffen, in dem alle Stimmen – seine eigenen sind? Methenys Orchestrion enthält neben Bass, Gitarre, Marimba und Percussion noch etwa 20 weitere mechanische Instrumente. Gebaut hat es ein kleiner Handwerksbetrieb in den USA.
Die Kontrolle über die Musik liegt vollständig in Methenys Händen. Von der E-Gitarre aus steuert er Software und mehrere Computer, die wiederum befehligen ein paar Roboter, und die spielen die Instrumente dann genau so, wie Metheny es will. Auf der Bühne steht auch ein Klavier, das sich, entsprechend programmiert, selbst spielt, und eine Flaschenorgel, deren Sound dem der Pfeifenorgel ähnelt.
Noch weiß keiner, wie das alles klingen wird, was Metheny da von neun Assistenten (!) auf die Bühne wuchten, einrichten und überwachen lässt, aber schon jetzt kann man sagen: So etwas gab es noch nie.
Seien wir also gespannt auf einen scheinbar unendlich vervielfachten Metheny-Sound in allen Klangfarben des Regenbogens. So, als würde Beethoven alle Instrumente in seinen Sinfonien selber spielen, ohne Dirigenten, ohne Orchestermusiker, ohne interpretatorischen Eigensinn. Megaloman? Vielleicht.
Aber Pat Metheny ist ein Perfektionist, und das heißt bei einem Jazzmusiker, dass er bei aller Kontrolle unbedingt Freiräume für Improvisation behalten, das Spontane aus der Performance also keineswegs ganz tilgen wird. Technologisch wagt sich Metheny hier auf absolutes Neuland vor, und Schaulustigen verspricht er exquisites Futter für die Augen.
Dennoch ist es ein kluger Schachzug, bei dieser JAZZNIGHTS-Tournee durch die schönsten Konzerthäuser des Landes nicht allein aufs Orchestrion zu setzen. Metheny ahnt vielleicht das Risiko, sein Publikum durch die schiere Menge der Klänge zu erschöpfen. Womöglich fürchtet er selbst die Manegenluft des allzu Zirzensischen. Als Gegengabe bietet er deshalb am selben Abend auch Gitarrenmusik solo an, unverstellt von der anzunehmenden Wucht des computertechnisch Möglichen. In der Intimität der sechs, zwölf oder wieviel auch immer Saiten, die seine Sonderanfertigungen aus den besten Gitarrenwerkstätten der Erde haben, wird aus dem Bändiger der 25 mechanischen Instrumente dann buchstäblich im Handumdrehen wieder der begnadete Geschichtenerzähler, der uns mit diskret verstärkten akustischen Klängen Raum und Zeit und Technik vergessen lässt. Und wo hätte es das je gegeben: dass Beethoven die Neunte spielt und dann noch, sagen wir, die Sonate „Les Adieux“ oder Opus 111.
OTELLO ist die erste Produktion des Kontrabassisten Dieter Ilg, deren musikalische Grundlagen gezielt aus einem klassischen Musikwerk herrühren.
Dieter Ilg Otello
Eine Art „Initialzündung“ dafür war die berühmte Kontrabassstelle im IV. Akt von Giuseppe Verdis Oper „Otello“, die aus dem Orchestergraben heraus den Eifersuchtsmord des Venezianischen Admirals an seiner Gattin Desdemona vorbereitet.
Seit Dieter Ilgs klassischem Kontrabassstudium an der Musikhochschule Freiburg begleitet diese Melodie den Tiefton-Künstler bei seinen musikalischen Exerzitien.
„Otello ist eine Inspiration“ sagt der 48jährige, „ein ständiger Entstehungs- und Entwicklungsprozess. Das Wichtigste an Otello ist für mich das dramatische Moment der Musik.“
Genau deshalb ist das vorliegende Album vielleicht Dieter Ilgs leidenschaftlichstes. Eine meisterliche, man ist geneigt zu sagen, kongeniale Bearbeitung.
Das auf CD eingespielte Klangergebnis wird Verdis Meisterwerk der Opernliteratur in jedem Moment gerecht. Mit großer Feinfühligkeit, einer Prise Witz und wohlfeiler Handwerkskunst werden die Melodien und harmonischen Wendungen des großen Italieners so selbstverständlich interpretiert, als wäre „Otello“ für dieses Trio (mit Rainer Böhm & Patrice Heral) gedacht gewesen.
Den berühmten Feuerchor „Fuoco di gioia“ beispielsweise verwandeln Ilg & Co. in eine rhythmisch pulsierende Groovenummer, „Inaffia l’ugola“ verarbeiten sie in einem sich stetig steigernden Parforceritt, und bei „Quando narravi“, dem Gänsehautduett zwischen Otello und Desdemona, tupfen die Musiker ungemein sanfte Klänge hin, die die Zärtlichkeit zwischen den beiden Liebenden fühlen lassen.
In „Ora e per sempre addio“ etwa ist Otellos Verzweiflung spürbar zu hören und im Titelstück selbst scheint die Musik zuletzt auf den Kontinent Afrika zuzutreiben. Famos.
Der emotionale Gehalt und vorallem auch die Verdis Oper immanente Dramatik ist in der ganzen Bandbreite von Dynamik und Differenziertheit präsent.
„Ich suchte und fand die Möglichkeit, Verdis Musik sowohl mit lyrischen Anteilen als auch mit dramatischen Momenten für meine Interpretationen und Improvisationen zu gestalten“, erklärt der Bassmann.
Dazu bedarf es der Zusammenarbeit visionärer Musiker.
Dieter Ilgs Wunschpartner waren und sind der ausdrucksvoll-brillante Rainer Böhm am Piano und die kreative Wundertüte Patrice Heral an Schlagwerk und Kehlkopf.
Mit seiner ehrgeizigen „Otello“-Produktion beweist Dieter Ilg einmal mehr, dass man ihn völlig zu Recht zu Europas führenden Jazzmusikern zählt. Sein handwerkliches Können und seine enorme Musikalität haben sich längst herumgesprochen. Nicht zuletzt die Bereitschaft des neuerdings auch mit seinen Soloperformances Aufsehen erregenden Künstlers, seine Virtuosität in den Dienst dieses Trios zu stellen, zeigt, wie wichtig Dieter Ilg dieses Projekt ist.
Sein Ruf hat ihm in den zurückliegenden dreißig Jahren seiner Karriere so manche Kooperation mit international arrivierten Größen eingebracht. Unter anderem stand er mit Randy Brecker, Peter Erskine, Mike Stern, John McLaughlin, Dave Liebman, Mike Mainieri, John Abercrombie, Kenny Wheeler, Sadao Watanabe, Dino Saluzzi, Omar Sosa, Rabih Abou Khalil, Nils Landgren, John Surman, John Taylor, Enrico Rava, Paolo Fresu, Leszek Modzer, Daniel Humair, George Gruntz, Joachim Kühn, Albert Mangelsdorff, Till Brönner und Thomas Quasthoff auf der Bühne und/oder im Studio. Und das ist nur eine sehr kleine Auswahl.
Nach seinen viel gerühmten Trioarbeiten, u. a. der ungemein inspirierten Bearbeitung deutscher und internationaler Volkslieder auf den Alben „folk songs“, „fieldwork“ und „liveilg“, nach dem intimen Dialog mit der Saxophonlegende Charlie Mariano und nach seinem faszinierenden Soloalbum „Bass“ (alle erschienen bei fullfat), gelingt Dieter Ilg einmal mehr ein stilistisches Crossover, das Authentizität aus der biographischen Rückkopplung schöpft. Der „deutsche Weltklassebassist“ (Jazzthing) ist zwar vornehmlich im Jazz zu Hause, seine bisherigen Veröffentlichungen haben aber auch immer wieder lustvoll Genregrenzen überschritten. Mit OTELLO erschließt sich Dieter Ilg jetzt eindrucksvoll den Klassiksektor.
“ […] einfach genial. Superb. Herausragend […] was dem neuen Dieter Ilg Trio hier gelang […] wird mit Sicherheit auch (Jazz-)Musikgeschichte schreiben.“ SZ, 2009
Tourdaten Dieter Ilg:
VINCENT KLINK-PATRICK BEBELAAR „musikalische Lesung“ mit DIETER ILG
So 31.01. D-Oberbergen – Schwarzer Adler
THOMAS QUASTHOFF
Mo 15.02. D-Dresden – Semperoper
Do 18.02. A-Wien – Musikverein
Sa 20.02. D-Köln – Philharmonie
Mo 22.02. D-Berlin – Philharmonie
Mi 24.02. D-Hamburg – Laeiszhalle
Sa 27.02. D-Baden-Baden – Festspielhaus
DIETER ILG – „BASS“
Mo 08.03. D-Illingen – Illipse
DIETER ILG – „OTELLO“ – TRIO
Fr 12.03. D-Braunschweig – Lindenhof
Mo 22.03. D-Freiburg – Schützen
Fr 26.03. D-Hechingen – Synagoge
Sa 27.03. D-St.Ingbert – Festival
JazzToday Tournee 2010
So 11.04. D-Erlangen – E-Werk
Mo 12.04. D-München – Carl Orff Saal
Di 13.04. D-Darmstadt – Centralstation
Mi 14.04. D-Karlsruhe – Tollhaus
Do 15.04. D-Kaiserslautern – Kammgarn
Fr 16.04. D-Mainz – Frankfurter Hof
Sa 17.04. D-Mannheim – Alte Feuerwache
So 18.04. D-Ulm – Roxy
Mo 19.04. D-Stuttgart – Theaterhaus
Di 20.04. D-Düsseldorf – Savoytheater
Mi 21.04. D-Lübeck – MuK
Fr 23.04. D-Berlin – Postbahnhof
Sa 24.04. D-Hamburg – Kampnagel
So 25.04. D-Oldenburg – Kulturetage
Mo 26.04. D-Dortmund – Konzerthaus
Di 27.04. D-Bonn – Brückenforum
Da werden die Fans der ersten Stunde aber nicht schlecht staunen! Wurde Dominic Miller bis dato vor allem wegen exquisiter Akustikklänge an der Nylongitarre bewundert und gefeiert, so überrascht er Publikum wie Fachleute nun mit dem ersten elektrifizierten Album seiner Sololaufbahn.
Auf der jüngsten Veröffentlichung „November“ nimmt die E-Gitarre breiten Raum ein, Miller zeigt sich in einigen Stücken von seiner rockigen Seite und verblüfft mitunter mit einem ziemlich druckvollen Sound.
Man höre sich etwa den wuchtigen Slammer „Ripped Nylon“ – nomen est omen – oder das Fuzz-gesättigte „W3“ an!
Der Sinneswandel kommt nicht von ungefähr. Im Herbst 2008 hatte der Wahllondoner in einer ruhigen Stunde die bisherigen CD-Einspielungen unter seinem Namen gesichtet und war zu dem Schluss gekommen, dass das meiste davon mehr Wert auf einen verdichteten Sound als auf verdichtete Kompositionen legt. Lediglich bei einem seiner Solowerke war das anders: beim Debüt „First Touch“. „Dieses Album repräsentierte all die Einflüsse, die ich bis 1995 absorbiert hatte“, erinnert sich Miller, „damals war ich 35 Jahre alt. An dem Album hatte ich gearbeitet, nachdem ich von der ‚Ten Summoner’s Tale‘-Tour mit Sting zurückgekehrt war. Es war eine Art musikalische Autobiographie. Jetzt wollte ich den Zustand wieder erschaffen, in dem ich mich glücklicherweise bei der Produktion von ‚First Touch‘ befunden hatte. Am stärksten erinnere ich mich an das Gefühl des Freiseins. Es fühlte sich an, als würde sich das Album von selbst komponieren, als würde es mir diktiert werden. In anderen Worten, ich ließ mich einfach mit dem Strom treiben. Ich möchte nicht so weit gehen, es ein ‚Geschenk Gottes‘ zu nennen, aber genauso empfand ich es zum damaligen Zeitpunkt.“
„November“ nun betrachtet Dominic Miller als eine „überarbeitete Autobiographie, die weit über ‚First Touch‘ hinausgeht“. Für diese „vertonten Memoiren“ hat er noch mal ganz neu angefangen, als hätte er nie zuvor im Studio gestanden: „Ich hab klar Schiff gemacht, bin zum Punkt Null zurückgegangen und habe die bisherigen Soloalben hinter mir gelassen.“ Im Vorfeld der Produktion nahm sich der Saitenspezialist ausreichend Zeit, seine musikalische Richtung zu hinterfragen, alles kam auf den Prüfstand und am Ende stand fest: Die Zeit war reif für eine Kurskorrektur. Die vollzog Miller schließlich mit einer Bandbesetzung ohne Sänger. Das Instrumentalformat barg freilich die Gefahr, „wie eine zweitklassige Fusion- oder Jazzrock-Band zu klingen. Gott behüte! Ich will keine Namen nennen, aber ich kriege regelmäßig solche CDs von ziemlich bekannten Instrumentalisten. Nach einmal hören benutze ich die nur noch, um in den Wintermonaten das Eis von der Windschutzscheibe meines Peugeot 206 zu kratzen. Bei den meisten dieser CDs geht es nur um’s Spielen, nicht um die Kompositionen. Die Musiker darauf sind wie großartige Schauspieler, denen leider nur ein mittelmäßiges Drehbuch zur Verfügung steht. Ich hingegen habe beschlossen, dass bei mir die Kompositionen den Vorrang haben sollen.“
Um dieses Ziel zu erreichen, instruierte Miller alle mitwirkenden Kollegen: „Bringt nichts von eurer Persönlichkeit ein, lasst die Kompositionen für sich selbst sprechen!“ Es war nicht leicht Musiker zu finden, die genau das leisten konnten und wollten. In Drummer Ian Thomas (Eric Clapton, Seal, Paul McCartney, Tom Jones), Bassmann Mark King (Level 42; amtierender Meister des daumenschnalzenden Slapbass …) und Keyboarder Mike Lindup (ebenfalls bekannt von Level 42) fanden sich schließlich Sessionpartner, die bereit waren, ihr Ego hinten anzustellen. Zu diesem Stamm gesellten sich mit dem in Frankreich lebenden Israeli Yaron Herman am Klavier, Keyboarder Jason Rebello (Sting), Flötist Dave Heath (anerkannter Komponist von Flöten-, Geigen- und Oboenkonzerten) und Saxophonist Stan Sulzmann (Kenny Wheeler, Michael Brecker, NDR Big Band) versierte Topprofis, die ihre ausgeprägten Musikerpersönlichkeiten ebenfalls zurücknahmen und ihr Können ganz in den Dienst von Millers Kompositionen stellten.
Mithilfe all dieser „selbstlosen“ Sidemen entstand ein Instrumentalalbum, das mit allerlei unerwarteten Wendungen, Stilsprüngen und so noch nicht gehörten Klangkombinationen aufwartet. Rockiges („W3“, „Ripped Nylon“), New-Age-Meditationen („Still“), Softpop-Sounds („Solent“), Klangmalereien („Gut Feeling“), Funkyness („Sharp Object“), Klassikanklänge („Chanson II“) und Jazzmomente („Marignane“) wurden zur ganz und gar eigenwilligen contemporary instrumental music verknüpft. Produziert haben Dominic Miller und Hugh Padgham, die seit Phil Collins‘ Millionseller „But Seriously“ (1989) quasi unzertrennlich sind. In den vergangenen zwanzig Jahren haben die beiden bei vielen Projekten kooperiert, mittlerweile verstehen sie sich blind. „Er wusste genau was ich wollte“, schwärmt Miller über Padgham, „also war er die erste Wahl als Produzent. Hugh kann einen ‚killer sound‘ herauskitzeln.“
„November“ ist – bezogen auf die Entstehungsdauer – das „schnellste“ Album in Dominic Millers Solokarriere, kein Vorgängerwerk hat weniger Zeit benötigt. Nach lediglich drei Wochen waren sämtliche Kompositionen auf dem Notenblatt, die Studioaufnahmen und der Endmix nahmen gar nur vierzehn Tage in Anspruch. Neunzig Prozent der gehörten Performances sind first takes. „Ich wollte weg von der Pro-Tools-Perfektion, mit der man wirklich alles und jedes manipulieren kann“, begründet Miller die flotte Arbeitsmethode und die Entscheidung für mehr Spontaneität im Studio. „Das hatte einige Unvollkommenheiten in Sachen Timing, Stimmung und Artikulation zur Folge. Im Normalfall hätte ich die nachträglich behoben, aber diesmal beließ ich alles wie es war.“
Mit „November“ fügt Dominic Miller seiner eindrucksvollen Künstlerbiographie einen weiteren Höhepunkt hinzu. Der in Buenos Aires geborene Sohn eines Amerikaners und einer Irin studierte Gitarre an Bostons renommiertem Berklee College und an Londons Guildhall School Of Music, gab mehrere Soloalben heraus („First Touch“, „Second Nature“, „Third World“, „Fourth Wall“) und ist seit den späten 1980ern zudem ein gefragter Sessionmusiker. Die Liste seiner Engagements sprengt jeden Rahmen, stellvertretend seien nur die Kollaborationen mit The Chieftains („Long Black Veil“), Eddi Reader („Mirmama“), Manu Dibango („Wakafrika“), Paul Young, Bryan Adams, Luciano Pavarotti, Peter Gabriel, Pat Metheny, Tina Turner („Wildest Dreams“), The Pretenders, Boyzone und den Backstreet Boys genannt. Seit „The Soul Cages“ aus dem Jahre 1991 war Miller des Weiteren an jedem Album von Sting beteiligt, er stand in über eintausend Konzerten mit dem ehemaligen „Polizisten“ auf der Bühne und erdachte mit ihm Hitsongs wie „Shape Of My Heart“.
Auf „November“ nun präsentiert er sich einmal mehr als Gitarrist absoluter Spitzengüte. Der Ausnahmeinstrumentalist spielt mit einer Leichtigkeit und traumwandlerischen Sicherheit, die jedem Beschreibungsversuch spottet. Was ihn über das Virtuosentum vieler Kollegen hinaushebt, ist die Fähigkeit, über seinen Fähigkeiten zu stehen. Die spieltechnische Gewandtheit, das Brillieren mit seiner fingerfertigen Perfektion hat er längst hinter sich gelassen. Dominic Miller geht es heute nur noch um Ausdruck, um Klangschönheit und die Wahrheit des Augenblicks. Diese Transzendenz der Dinge bleibt freilich den ganz Großen vorbehalten.
Diese Musik wächst und wächst mit jedem Hören. Viel zu gut ist jeder der drei Beteiligten, als dass er muskelspielerisch seine Virtuosität ausstellen müsste.
BERN, BRODY & RODACH "Triophilia"
Vielmehr hört man dieses unbeflissene Jonglieren mit den Ingredienzen. Die werden nicht im Sinne von Versatzstücken geklittert, sondern gehen ganz selbstverständlich, fast beiläufig in das große Ganze ein. Diese Musik drängt sich nicht auf, sie entwickelt ihre Überzeugungskraft aus Subtilität und Raffinesse.
Die Klangbilder sind unverbraucht, luftig und leicht in diesem magischen Dreieck. Drei Freunde machen ihre transparente Musik und malen mit großer Palette. Das gibt ein ganz und gar unverwechselbares Bild. Die Klänge changieren ineinander, wie schwebend und doch präzise auf den Punkt.
Zum Jazzfest 2003 der Berliner Festspiele wurde die Band geboren. Seither traf man sich immer wieder, um aus den sauber beschrifteten Schubladen zu springen. Zwei Amerikaner und ein Deutscher im Fokus Berlin, die sich lange kennen und Freunde sind. Klavier/Melodica/Akkordeon, Trompete und Gitarre: Das ist keine alltägliche Besetzung. Das oft belächelte Akkordeon ist heute zum vieles und viele verbindenden Sympathieträger geworden.
Alan Bern ist maßgeblich beteiligt an dieser Entwicklung. Man höre zum Beleg nur sein im Jahr 2000 mit Guy Klucevsek eingespieltes Akkordeon-Duoalbum „Accordance“. 17 Preziosen als zeitgenössisches Road-Movie mit Aufenthalten im Jiddischen, Osteuropäischen und Südamerikanischen, bei den alten Welten in der neuen.
Alan Bern aus Bloomington (Indiana) begann als klassischer Pianist. Später übersetzte er für sich die musikalischen und kulturellen Revolutionen der sechziger Jahre. Zwei Jahre verbrachte er am legendären Creative Music Studio in Woodstock, New York, mit John Cage, dem Art Ensemble of Chicago, Anthony Braxton, Carla Bley, Karl Berger und anderen.
Das begründete seine lebenslangen Erforschungen zwischen Improvisation und Komposition, zwischen der Tradition und dem Neuen. Das fand seinen Ausdruck in über zwanzig Jahren als Pionier der Neuen jüdischen Musik und als Chef von Brave Old World.
Vor gut 20 Jahren kam er nach Berlin. Seit gut zehn Jahren kennt er Paul Brody. Weil der vor Ort in Europa der Geschichte seiner Familie nachgehen wollte, kam er vor 15 Jahren aus Kalifornien nach Berlin. In Boston hatte er klassische Trompete studiert, bald danach engagierte ihn eine Duke Ellington-Broadway-Show, mit der er auf den alten Kontinent kam. Und er blieb. Neugier nämlich ist eine Vokabel, die sein Wesen auf den Punkt bringt.
Wie in einem Spagat über den großen Teich hat er seither in Berlin und in New York bei John Zorns Tzadik-Label aufgenommen. Seine Musik ist wie ein Wildern in konkreten oder imaginierten Landschaften, mal unterm Himmel über Berlin, mal in der endlosen Prärie der Erinnerungskulissen. Immer ist da dieser Humor, der mit den Elementen spielt, sie mal abgründig schräg, mal triefend vor ironischer Nostalgie, aber immer unverhofft neu arrangiert. Weniger ist mehr. Diese Haltung verbindet alle drei Musiker miteinander. Deswegen spielen sie oft und gern zusammen. Immer ist das eine Entdeckungsreise.
Michael Rodach arbeitet seit Jahren konsequent an seinem Soundtrack zum Ich. Der Gitarrist ist ein Erforscher von Klanglandschaften. In seinem Studio in Berlin sucht und findet er. Im doppelten Wortsinne ist er ein Kammermusiker. Er bleibt bei sich. Beim Komponieren hält er es wie beim Steine Sammeln am Strand: Viele hebt man auf, doch die wenigsten steckt man in die Tasche.
In Karlsruhe und Boston hat er erst Klassik, dann Jazz studiert, um dann in den unterschiedlichsten Konstellationen seine Fährten zu legen – bei den Elefanten, produziert von Teo Macero, oder auf Tour mit Klarinettist Perry Robinson bis hin zum Blues-Duo mit David Moss. Seine Soloaufnahmen ebenso wie diverse Kompositionen für Ballett, Film, Hörspiel und Theater verblüffen durch Fantasiefinten, die Jazz, Klassik, Pop, Ambient, Folk, Blues, Rock und Geräusche in feinsinniger Gestimmtheit verschmelzen. Mehr als die Hälfte der Stücke hier stammt von ihm.
Kraft, die aus der Ruhe wächst, hört und spürt man in der Musik dieses gleichberechtigten Trios, logische Übergänge von freier Improvisation in überraschende Themen und vice versa, laut und leise, Heiterkeit und Melancholie und dieses kurzweilige Spiel mit Assoziationsketten. „Heschel“ etwa ist nach dem polnisch-amerikanischen Theologen und Philosophen Abraham Joshua Heschel benannt, der viel über den Platz des Betens im Leben nachgedacht hat. Heschel-Hecheln-Atmen – das ist so eine Kette.
„Ein langer Ton auf der Trompete ist manchmal so tief und bedeutungsvoll wie ein Gebet“, fasst das Brody zusammen. Oder da ist zum Beispiel in Rodachs „Baleias“ der Einfluss von Gil Evans: Immer wieder gehen Türen auf, und man ist plötzlich woanders. „Bartoki“, inspiriert von Bela Bartóks Feldforschungen, versöhnt Tradition und Moderne – ein sich über einer chromatischen Basslinie ausbreitender Bluesriff, konterkariert vom Piano. Und das sehr emotionale „Angel Blue” von Alan Bern macht einen fiktiven Raum zwischen dem Mississippi Delta und Madagaskar bewohnbar.
Das alles und mehr ist in dieser Musik, die auch und vor allem deswegen so sinnlich wird, weil sie souverän mit all dem spielen kann. Einfach spielen. Und irgendwann ist man sicher: Das alles muss genau so sein. Und die Verhältnisse tanzen.
Lucien Dubuis, Jahrgang 1974, der nonkonformistische Multi-Instrumentalist aus der französischen Schweiz, ist seit etlichen Jahren in der Jazz- und Improvisations-Szene aktiv und hat über ein Dutzend Alben veröffentlicht.
Lucien Dubuis Trio & Marc Ribot – "Ultime Cosmos"
Er arbeitete u.a. mit Hans Koch, Kalle Kalima, Linda Sharrock und Marc Ribot und trat bei großen Festivals auf, darunter Montreux, Kopenhagen, Rom, Willisau, Genf und Bogotá. „Le Retour“ (2007), das letzte Album seines wilden Crossover-Punk-Funk-Jazz-Trios mit Roman Nowka (Bass) und Lionel Friedli (Drums), war „die erfrischendste CD des Jahres“ (All About Jazz) und „ein infernalischer Spaß“ (Jazz thing).
Die Musik des Lucien Dubuis Trios ist ein lauter Schrei der Lebenslust, schlicht und herzergreifend, gleichzeitig modern und primitiv, Konzeptkunst und Teenager-Revolution – eine Chromosomen-Mischung aus Coltranes Genen und der DNA der Beastie Boys: heftig, schräg, humorvoll und auf den Punkt.
Die Neue Zürcher Zeitung schrieb über ein Willisau-Konzert des Trios mit Marc Ribot: „Die drei Schweizer mit dem amerikanischen Gastmusiker (…) sorgten mit einer frischen, rotzigen und neuartigen Musik für einen Höhepunkt. Da wurde aus dem Geist des Punk und Drum’n’Bass musiziert, darüber hörte man energiegeladene, vom Free Jazz eines John Zorn beeinflusste Linien.
Die harten Beats der Rhythm Section bildeten den Boden für die oft überraschenden melodiösen und harmonischen Ideen des amerikanischen Gast-Gitarristen Ribot, der sich sichtlich über diese neuartigen Klänge freute.
Der Bandleader Dubuis schließlich erinnerte mit seinen tiefen Klarinetten und hohen Saxophonen eher an die Gitarrenkaskaden eines Jimi Hendrix als an die Art, wie Jazzer sonst mit Holzblasinstrumenten umgehen. Die Musik war radikal, abwechslungsweise ohrenbetäubend oder filigran.“
Gitarren-Held Marc Ribot, bestens bekannt für seine Arbeit mit Tom Waits, Elvis Costello, John Zorn, den Lounge Lizards, Robert Plant & Alison Krauss, T-Bone Burnett, David Sylvian oder Medeski Martin & Wood, ist geradezu eine Verkörperung unangepasster Kreativät.
Auf „Ultime Cosmos“ erweist sich der 55-Jährige als Idealpartner des Lucien Dubuis Trios. Ribot selbst sagt begeistert: “Wenn ihr wirklich hören wollt, wie der Downtown-Sound von 1982 war: Kommt und lauscht diesen jungen Schweizer Jungs!”
Noch tiefer in die Welt des Lucien Dubuis Trios führt die Bonus-DVD mit einem 20-minütigen „Making of“ der CD.
Lucien Dubuis -alto sax, contrabass clarinet
Roman Nowka – bass, guitar,vocal
Lionel Friedli -Drums
Marc Ribot – Guitar
Blue Note Records feiert im Jahre 2009 sein 70jähriges Bestehen. Einst 1939 von den aus Berlin stammenden Visionären Alfred Lion und Francis Wolff gegründet, stand und steht Blue Note Records für kompromisslose Qualität.
Lion und Wolff waren Mittelsmänner ihrer Zeit, die die jeweiligen verschiedenen Strömungen des Jazz zwecks „Tonkonserve“ an den Mann bzw. Frau brachten.
Von 1955 bis 1967 wurde der legendäre Blue-Note-Sound mit hunderten von Alben von einer neuen Ägide von Künstlern „geschaffen“, die fortan Jazzgeschichte schrieben und das Label weltweit berühmt machten. Für den überragenden Ton zeichnete sich der legendäre Toningenieur Rudy Van Gelder verantwortlich.
Im Frühjahr 2009 veröffentlichte Blue Note Records anlässlich des 70jährigen Bestehens des Kultlabels bereits 3 Best-Of-Boxen mit jeweils 3 CDs von Michel Petrucciani, Dexter Gordon, sowie einer Retrospektive des Labels im allgemeinen (Best Of Blue Note).
Nun werden noch einmal fünf „Best-of-3CD-Boxen“ von einigen der erfolgreichsten Protagonisten des Labels und der Jazzgeschichte im allgemeinen veröffentlicht:
Best Of John Coltrane
Best Of John Coltrane
Die Auswahl dieser opulenten Box begleitet Coltrane durch die Blue-Note-Jahre von 1956 bis 1958, wo er als Sideman etliche Alben einspielte und auch wohl sein wichtigstes und bekanntestes Soloalbum „Blue Train“.
Von diesem Album, einem der wichtigsten der Jazzgeschichte, sind alle Stücke integriert worden und auch einige alternative Takes von „Blue Train“ und „Lazy Bird“.
Best Of Miles Davis
Best of Miles Davis
Diese Box beleuchtet die Zeit des legendärsten Trompeters aller Zeiten von 1950 bis 1956, bevor er letztlich zu Columbia Records wechselte. Zuvor war er zwar auf dem Label Prestige zuhause, erlaubt waren ihm aber 3 Sessions für Blue Note in den Jahren 1952, 1953 und 1954, die in den Alben „Miles Davis Vol.1 und Vol.2 mündeten.
Außerdem spielte er mit Cannonball Adderley im Jahre 1958 noch das Album „Somethin‘ Else“ ein – und vor der eigentlichen Blue-Note-Zeit noch das Album „The Birth Of Cool“, damals noch für Capitol Records. Von der Session mit Canonball Adderley finden sich alle Tracks auf CD3 wieder. Ein Querschnitt der übrigen Alben für Blue Note, sowie zwei Live-Tracks befinden sich auf CD1 und CD2.
Best Of Wayne Shorter
Best Of Wayne Shorter
Der amerikanische Saxofonist Wayne Shorter veröffentlichte in der Zeit von 1964 bis 1970 insgesamt 11 Alben auf Blue Note Records. Sein erstes Album auf Blue Note „Nightdreamer“ stellt dabei einen Wendepunkt in seiner Karriere dar, weil er hier mit der Traumbesetzung Lee Morgan (Trompete), McCoy Tyner (Piano), Reggie Workman (Bass) und Elvin Jones (Schlagzeug) debutieren konnte.
Auch die beiden darauffolgenden Alben „JuJu“ und „Speak No Evil“ können Anspruch darauf erheben, zu den besten Platten der Jazzgeschichte zu gehören. Zur gleichen Zeit stieg er außerdem bei Miles Davis ein, wo eine fruchtbare Zusammenarbeit über die nächsten Jahre entstand.
CD1 & CD2 präsentieren einen Querschnitt des musikalischen Schaffens von Shorter in der Zeit von 1964 – 1970. Viele der Titel sind digital remastered. Auf CD3 ist er auf anderen Blue-Note-Alben als Sideman von Lee Morgan, Freddie Hubbard, Art Blakey, Michel Petrucciani oder Lionel Loueke zu hören.
Best Of Herbie Hancock
Best Of Herbie Hancock
Herbie Hancock debutierte 1962 mit „Takin‘ Off“ (u.a. mit Dexter Gordon und Freddie Hubbard) bei Blue Note, welches auch seinen Welthit „Watermelon Man“ enthielt. In der Folge spielte er bis 1969 für Blue Note insgesamt 7 Alben unter eigenem Namen ein. Darunter Welterfolge wie „Empyrean Isles“, auf dem das Stück „Cantaloupe Island“ zu hören ist, dass auch später erfolgreich durch Us3 gecovert wurde, sowie das Album „Maiden Voyage“, einem Meilenstein der Jazzgeschichte.
In dieser Zeit fiel auch sein Engagement bei Miles Davis Group, die er aber 1969, um sich ganz seinem neuem Sextett (u.a. mit Joe Henderson u. Garnett Brown), das nach seiner Zeit bei Blue Note in den Headhunters aufging. CD1 und CD2 repräsentieren seine Blue-Note-Jahre von 1962 bis 1969, CD3 beinhaltet seltene Aufnahmen, darunter seine erste eigene aufgenomme Komposition „Requiem“ von Donlad Byrd’s Album „Royal Flush“.
Best Of Sidney Bechet
Best Of Sidney Bechet
Der amerikanische Jazz-Klarinettist Sidney Bechet, geboren 1897, fiel erstmals auf, als er 1913 zusammen mit Louis Armstrong spielte. Es folgten Touren mit King Oliver, Clarence Williams und Keppard. Nach einem Abstecher nach Europa mit dem Syncopated Orchestra von Will Marion Cook, tourte er von 1921 bis 1923 mit Bessie Smith.
Erste Schallplatten-Aufnahmen folgten, u.a. mit Louis Armstrong, Duke Ellington und Clarence Williams. Ab 1925 ging er mit Josephine Baker auf eine mehrjährige Tournee nach Europa. 1939, Blue Note wurde gerade von Afred Lion gegründet, hat er einen Hit, als er Gershwins Stück „Summertime“ mit dem Meade Lewis Quartet für das neue Label aufnimmt.
Dieses und Stücke wie „Sweet Georgia Brown“, „All Of Me“ oder „Saturday Night Blues“ sind auf dieser wunderschönen Zusammenstellung zu hören und ehren Bechet als einen der großen Repräsentanten des frühen amerikanischen Jazz.
Der belgische Komponist und Keyboarder Marc Moulin war ein Mensch mit vielen Talenten.
Marc Moulin "Best Of"
Er schrieb Musik für Film, Radio und Fernsehen, war Autor von Theaterstücken und Büchern und arbeitete als Produzent und Songwriter unter anderen mit Lio, Alain Chamfort, The Sparks, Anna Domino, Kid Montana und Viktor Lazlo.
Aber vor allem anderen war der 1942 in Brüssel geborene, viel beschäftigte Tausendsassa ein visionärer Jazzmusiker, was mit der nun vorliegenden ersten Best-Of-Compilation hervorragend dokumentiert wird.
Bereits während seines Studiums an der Universität Brüssel formierte Marc Moulin sein erstes Jazztrio. Mit der 1969 gegründeten Gruppe Placebo schrieb er in den 70ern Fusion-Geschichte.
Die Highlights aus dieser Zeit sind hier durch die remasterten Titel „Balek“, „Humpty Dumpty“ und „Stomp“ vertreten. Auf dem 1975 erschienenen, 2005 auf Blue Note wiederveröffentlichten Klassiker „Sam‘ Suffy“ schlug Moulin dann ungeahnte Brücken vom Jazz zu Soul und elektronischer Musik ( hier dokumentiert durch den Track „Tohubohu Part 1“ ), ein Konzept, das er in den 80ern mit der innovativen Elektropop-Formation Telex weiter vorantrieb.
Nach seinen von der Kritik gefeierten Blue-Note-Veröffentlichungen „Top Secret“ (2001) („Into The Dark“, „Tenor“, „Organ“) und „Entertainment“ (2004) („Silver“, „Le Grant Voyage“) auf denen er raffiniert moderne Dance-Elemente mit Zitaten aus der Jazzgeschichte verknüpfte, erschien im Januar 2007 sein drittes und gleichzeitig letztes Album für Blue Note.
Hieraus enthalten sind der Titel-Track „I Am You“ , „Music Is My Husband“ und der Dancefloor-Filler „Welcome To The Club“. Mit diesem Album präsentierte er eine Mischung aus exquisiten Klanglandschaften, beseelten Jazzexkursen, emotionalen Chansons und brodelnden R&B-Grooves.
Abgerundet wird diese exzellente Werkschau durch die beiden unveröffentlichten Tracks „Comme A La Radio“, eine Coverversion des 1969 entstandenen Titels der französischen Chanteuse Brigitte Fountaine mit dem Art Ensemble Of Chicago, und dem Track „Promised Land“.
Marc Moulin verstarb am 26. September 2008 nach langem Krebsleiden. Er hat ein großes musikalisches Erbe hinterlassen.
Marc Moulin – „Best Of“ Tracklist:
1. Into The Dark
2. Silver (Who Stole The Groove?)
3. Balek (2006 Digital Remaster)
4. I Am you
5. Tenor (Long Fall Mix)
6. Humpty Dumpty (2006 Digital Remaster)
7. Comme A La Radio (Radio Edit)
8. Music Is My Husband
9. N.W. (2006 Digital Remaster)
10. Organ
11. Promised Land
12. Le Grand Voyage
13. Welcome To The Club
14. Stomp (2006 Digital Remaster)
15. Tohubohu Part I (2005 Digital Remaster)
Marc Moulin – „Best Of“ | Blue Note [ LC : 00133 ] | im Vertrieb bei EMI
Der Jazz, diese swingende, improvisierte Musik, die im Süden der Vereinigten Staaten entstand, hat im Laufe des vergangenen Jahrhunderts die Welt erobert.
Roads of Jazz - Earbook
Von New Orleans, Chicago und Kansas City nach New York und an die Westküste lässt sich eine Entwicklung verfolgen, die immer auch mit den Namen hervorragender Künstler verbunden war und schließlich Begeisterung auf allen Kontinenten auslöste.
Die Roads of Jazz führen in die Speakeasies im Chicago der Prohibition, nach New York in die 52nd Street, den Cotton Club und Minton’s Playhouse, an die amerikanische Westküste, wo der heiße Jazz
mit einem Mal cool war, und schließlich nach Übersee, Paris, Lonon, Berlin.
Das Jahrhundert des Jazz hat ein reiches musikalisches Erbe, aber auch für das Auge faszinierende Spuren hinterlassen. Auf 6 CDs wird der Weg des Jazz von New Orleans in die Welt dokumentiert.
I. Von New Orleans nach Chicago und New York: mit King Oliver, Louis Armstrong, Jelly
Roll Morton, Bix Beiderbecke, Jack Teagarden, Bennie Moten u.v.a.
II. New York Swing: von Fletcher Henderson, Benny Goodman, Lionel Hampton, Billie
Holiday bis John Coltrane.
III. Bebop: mit u.a. Benny Goodman, Glen Miller, Charlie Parker und Dizzy Gillespie
IV. Moderne Jazz: mit u.a. Miles Davis, Thelonious Monk, John Coltrane
V. Westküste: die coolen cats wie Gerry Mulligan, Chet Baker, Jimmy Giuffre, Clifford Brown,
Stan Getz, Shorty Rogers und Erroll Garner.
IV. Neue Wege in Europa: mit Pioniere wie Sam Wooding, Louis Armstrong, Coleman
Hawkins, Duke Ellington, Lionel Hampton, Benny Carter, Dexter Gordon und Ben Webster sowie
Django Reinhardt, Stephane Grappelli, Jack Hylton und Teddy Staufer.
ROADS OF JAZZ – 120 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag – 6 Musik-CDs – 88 Fotos, 4-farbig und s/w Text: deutsch/englisch
Der unvergleichliche, der einzigartige, der bisher beste Brian Setzer bereichert uns in diesem Jahr mit seinem brandneuen Meisterwerk „Songs From A Lonely Avenue“.
Brian Setzer Lonely AvenueZusammen mit seinem 18-köpfigen Orchester ließen sich der Superstar der Rockabilly Szene und die Musiker visuell wie akustisch vom Film Genre „film noir“ inspirieren und schufen 13 neue beeindruckende Tracks.
Setzer nimmt uns mit auf einen unvergesslichen Spaziergang und lässt dabei auf seinen unverwechselbaren Swing Jazz treffen, schenkt aber auch Begegnungen mit dem dunklen, verruchten und auch melancholischen Rockabilly Style. Ganoven schleichen durch die Straßen, frisch verliebte Pärchen tanzen durch das nächtliche New York und Herzen brechen.
Cineastische Bilder die untermalt sind von perfekten Melodien und Kompositionen. Ein weiteres Highlight des Albums: zum ersten Mal stammt jeder einzelne Song persönlich aus Setzer’s Feder. Um so mehr stellt „Songs From A Lonely Avenue“ ein besonders ambitioniertes Ereignis dar und ist ein absolutes „Must“ für alle Rockabilly und Swing/Jazz Fans.
Aber auch allgemein Liebhaber echter qualitativer Musik kommen hier ganz auf ihre Kosten, denn der Pioneer und sein Orchester verstehen es wie kein zweiter, Meilensteine in seinem Genre zu setzen und dem Hörer handgemachte Musik vom Besten zu bieten.
Zum Song „Loney Avenue“ wurden Brian Setzer Fan aufgefordert, ihre Ideen zum neuen Album auf Papier zu bringen.
Ein Video der schönsten Bilder und natürlich den Song selbst gibt es hier:
„Songs From A Lonely Avenue“ erscheint am 16. Oktober 2009.
Die Veröffentlichung des Albums „One“ der dänischen Sängerin IDA CORR verschiebt sich nach hinten. Der neue Veröffentlichungstermin ist der 30.10.2009. Ihre neue Single „I Want You“ erscheint am 25.09.2009.
Ida Corr "One"
Die dänische Sängerin IDA CORR stürmte 2008 weltweit die Charts mit dem Le-Grand Remix ihres Titels „Let Me Think About It“.
In England erreichte sie mit dem Titel Platz 2 der Verkaufscharts, in Amerika stürmte sie damit bis auf Platz 1 der Billboard Hot Dance Airplay Charts. Bei uns erreichte der Titel Platz 14 der Single-Verkaufscharts.
Die Tochter eines Musikers aus der dänischen Stadt Aarhus veröffentlicht nun auch in Deutschland ihr Album „One“, das neben der Hitsingle viele phantastische Songperlen beinhaltet (insgesamt 15 Titel). Auf dem Album zeigt die bildhübsche Sängerin ihre Wandlungsfähigkeit, singt neben Dancefloor Knallern auch Titel, die von Jazz, Electrofunk, Soul und Hip Hop beeinflusst sind. IDA CORR ist als Livesängerin rund um den Globus sehr gefragt und somit ständig auf Reisen. Ihre weltweite Fangemeinde wächst stetig und kann gar nicht genug von Ida bekommen. IDA CORR verbindet eine ordentliche Portion Sexappeal mit Soul in der Stimme.
Im Januar 2009 erhielt IDA CORR neben der Gruppe Alphabeat einen Preis für den besten dänischen Künstler in Europa, den European Borders Breaker Award. In Deutschland erreichte ihre Single „Ride My Tempo“ Anfang diesen Jahres Platz 1 der Deutschen Dance Charts.
Mit ihrer neuen Single „I Want You“ (erscheint am 25.09.2009) und dem Album „One“ wird IDA CORR ihre Erfolgsgeschichte in Deutschland fortsetzen.
Hier könnt Ihr die Videos zu „Let Me Think About It“ und „Ride My Tempo“ sehen:
Über die Musik von Ania Losinger und Matthias Eser angemessen schreiben? Kein leichtes Unterfangen.
Ania Losinger & Matthias EserWortreich entfaltete Sätze laufen unweigerlich Gefahr, den Gegenstand zu zerreden, genau dort zu scheitern, wo die beiden Künstler so faszinierend reüssieren: Im Moment der Reduktion, der Entlastung.
Im Abwerfen von Ballast. Von Ballast des eigenen Erfahrungshorizontes, von Ballast historischer Verfügungsmasse – Edoardo Sanguineti sprach in solchem Zusammenhang salopp vom «Schmutz auf unseren Schultern». Es ist keine beiläufige, unverantwortliche Geste, mit der Losinger und Eser ihn wegwischen; jeglichem Beiseitelegen geht Auseinandersetzung und bewusste Entscheidung voraus. Was auf diese Weise bleibt, ist nicht nacktes Gerippe, sondern aufs Wesentliche verdichteter Kern, der ebenso in Geschichte ankert wie er von deren Überschuss entlastet ist.
Verkürzend und behelfsmäßig wäre dies Ergebnis als ‹Klang gewordener Rhythmus› zu umschreiben. Die Formel deutet an, was mit dem Prozess der verdichtenden Reduktion im konkreten Fall Hand in Hand geht: die Idee von Einheit und Verschmelzung. Die Verschränkung der Kunstformen, die Adorno mit Blick auf Werke von Kandinsky, Varèse, Cage oder Ligeti noch 1966 als «Verfransung der Künste» kritisierte, wird hier emphatisch betrieben; die Grenzziehung zwischen Zeit- und Raumkunst, in Lessings Laokoon bereits 200 Jahre zuvor postuliert, wird abermals hinfällig. Losingers und Esers repetitiv organisierte Polyrhythmen scheinen sich aus rezeptiver Perspektive von der Zeitachse zu entkoppeln und in den Raum zu entfalten; das motorische Moment tritt unweigerlich in den Hintergrund, weicht der Impression frei atmender Klangfiguren – subtil strukturiert und mit immer neuen Aspekten überraschend.
Indessen reicht das Interesse der beiden Künstler am Moment der Einheit weiter, gilt nicht allein einer ‹Verräumlichung von Zeit›, sondern auch der Möglichkeit einer, freilich zunächst privaten, unmittelbaren Verbindung von Kunst und menschlichem Sein. Als sinnvolle und tragfähige Brücke erwies sich die in der chinesischen Medizin und Naturphilosophie wurzelnde Lehre der fünf Wandlungsphasen bzw. der in zyklischen Prozessen zueinander in Beziehung gesetzten Elemente Erde, Metall, Wasser, Holz und Feuer. Entsprechend der Fünfzahl gliedert sich die Musik auf dieser CD in fünf Teile – jeder für sich eine Musikalisierung eines der Elemente. Rhythmisch-metrische Strukturen nehmen dabei direkt Bezug auf die Ziffern, die die chinesische Zahlensymbolik jedem der Elemente zugesellt.
Klangfarbe, Harmonik, Bewegungsenergie und dynamische Gestaltung reflektieren wiederum die Bedeutungsspektren der einzelnen Wandlungsphasen. Den dramaturgischen Bogen schlagen Losinger und Eser ausgehend vom Element Erde, über Wasser, Feuer und Metall hin zu Holz.
Die chinesische Medizin nutzt diesen Zyklus für energetischen Ausgleich. Die Wandlungsphase Holz, die den Kreis beschließt, impliziert auch ‹Morgen›, ‹Aufbruch›, ‹Frühling›, ‹Anfang›. Es ist gerade der persönliche und zutiefst unprätentiöse Charakter der in der Dramaturgie dieser CD beschlossenen, über das rein Musikalische hinausreichenden Aussage, der unmittelbar berührt. Der Idee von Aufbruch und Anfang, auch Zuversicht und Hoffnung reicht man gerne die Hand.
Recorded: January 2009 in Basel, Switzerland
Produced by Ania Losinger & Matthias Eser
Executive producer: Don Li
„Dresden“, aufgenommen im Oktober 2007 im Alten Schlachthof in Dresden, ist Jan Garbareks erstes Live-Album unter eigenem Namen.
Jan Garbarek - DresdenZwei CDs, die nicht nur eine leiden-schaftlich-kraftvolle Performance, sondern auch das außergewöhnliche improvisatorische Können des Norwegers dokumentieren – und die seine Band in einer Phase einfangen, in der sie sich notgedrungen neu definieren musste.
Nach der Erkrankung von Eberhard Weber, seit drei Jahrzehnten unverwechselbarer Klangbaustein des Garbarek-Ensembles, wurde im Frühjahr 2007 der Bassist Yuri Daniel an Bord geholt.
Die neue Besetzung stürzt sich mit Verve auf das Repertoire; im Zentrum der Musik steht dabei die Interaktion zwischen Garbarek und Schlagzeuger Manu Katché. Daniel, ein in Portugal lebender Brasilianer, dessen bisherige Wirkungsstätten von Maria Joãos Band bis zum Lisbon Underground Music Ensemble reichen, hilft die pulsierenden rhythmischen Muster zu verankern. Rainer Brüninghaus, Mitglied der Jan Garbarek Group seit 1988, behält seine bewährte Rolle als aktiver Farbgeber bei. Zwar besetzen auch Bassist und Keyboarder eigenes Solo-Territorium, doch ihre Hauptaufgabe liegt darin, ein Klima zu schaffen, in dem sich Garbareks hymnisch-deklamierende und ungeheuer melodische Soli – befeuert von Katchés treibenden Drums – voll entfalten können. Wie der Guardian über einen Auftritt dieser Tour schrieb: „Der Kontrast zwischen einem dichten, an Jamsessions erinnernden Sound und der liedhaften Schlichtheit der Melodien war schon immer Garbareks magische Mischung, doch diese Version seiner Band besitzt eine geradezu rauschhafte Intensität.“
Die norwegisch-deutsch-brasilianisch-französische Band stürmt durch altes und neues Material und skizziert eine Welt musikalischer Querverbindungen – beginnend mit einer ekstatischen Interpretation von „Paper Nut“, das der indischen Geiger Lakshminarayana Shankar 1984 für das ECM-Album „Song for Everyone“ schrieb. „Milagre Dos Peixes“ (Wunder der Fische) von Milton Nascimento war für viele Musiker eine Offenbarung, als Wayne Shorter es auf seinem Album „Native Dancer“ vorstellte; Garbareks Band stellt das Stück auf eine neue Stufe. „Rondo Amoroso“ ist Garbareks Arrangement einer Komposition von Harald Sæverud (1897-1992). Sæverud, neben Grieg der vielleicht produktivste norwegische Komponist, war stark von Kernelementen der Volksmusik beeinflusst, womit Parallelen zu Jan Garbareks Werk nicht zu übersehen sein dürften.
Von Garbarek selbst stammen drei Kompositionen von „Twelve Moons“ das Titelstück „The Tall Tear Trees“ und „There Were Swallows“. „Legend of the Seven Dreams“ steuert das dramatische „Voy Cantando“ bei. „Once I Dreamt A Tree Upside Down“ mit seiner übermütig hüpfenden Melodie erschien erstmals auf Trilok Gurtus „Living Magic“. (Gurtu wird übrigens bei den diesjährigen Konzertterminen dabei sein.) Zum ersten Mal zu hören sind „Heitor“, „The Reluctant Saxophonist“, „Fugl“, „Maracuja“ und das bemerkenswerte „Nu Bein“, das auf einem nubischen Rhythmus basiert und auf dem Garbarek die seljefløyte spielt, eine norwegische Obertonflöte.
„Dresden“ wird sehnlichst erwartet. Seit „In Praise of Dreams“ sind fünf Jahre vergangen, „Rites“ ist bereits elf Jahre alt und „Twelve Moons“, das letzte Album, das uneingeschränkt der Jan Garbarek Group zugeschrieben werden kann, sogar sechzehn. Seitdem hat das Ensemble so fleißig getourt, dass in Europa heute wohl kaum jemand erfolgreicher Instrumentalmusik mit starker improvisatorischer Ausrichtung spielt – über alle Genregrenzen hinweg und in einem eigenen Idiom, das sich nicht auf „Jazz“ beschränkt, auch wenn dessen aufgeschlossenste Vertreter immer noch ihren Einfluss geltend machen.
Das Live-Album kommt kurz vor Beginn eines weiteren Tourabschnitts mit zwei Dutzend Auftritten im Oktober und November heraus. Danach wird die Garbarek Group wieder ab Februar 2010 auf der Bühne zu sehen sein.
Jan Garbarek: Sopran- und Tenorsaxofon, Seljeflöte; Rainer Brüninghaus: Piano, Keyboards; Yuri Daniel: Bass; Manu Katché: Schlagzeug
1972 berichtete der Spiegel erstmals über das Label eines 29-jährigen Münchner „Einzelgängers“, für das sich immer mehr prominente US-Musiker interessierten: Weil dort, so das Nachrichtenmagazin, die „derzeit besten Jazz-Aufnahmen“ erschienen, „mustergültig in Klang, Präsenz und Pressung“.
Manfred Eicher - ECMZweieinhalb Jahre lag die Gründung der Firma ECM durch Manfred Eicher damals zurück.
Der in Lindau geborene Musiker hatte in Berlin Kontrabass studiert. Nachdem er früh seine Liebe zu Musikern wie Bill Evans, Miles Davis, dessen Bassist Paul Chambers und Paul Bley entdeckt hatte, beschäftigte er sich auch intensiv mit Jazz. Als Produktionsassistent bei der Deutschen Grammophon hatte er höchste Maßstäbe bei der Aufnahme klassischer Musik kennen gelernt.
Die dort übliche Präzision und Konzentration begann er nun auch auf die improvisierte Musik zu übertragen. „Free at last“ lautete, durchaus programmatisch, der erste Titel des neuen Labels, ein Album mit Musik des Amerikaners Mal Waldron. Wegweisende Aufnahmen von Keith Jarrett, Jan Garbarek, Chick Corea, Paul Bley, Egberto Gismonti, Pat Metheny und anderen begründeten die Reputation von ECM.
Seit Ende der siebziger Jahre tauchten regelmäßig auch Namen wie Meredith Monk und Steve Reich im Programm auf, und 1984 entstand mit der New Series eine eigene Reihe für notierte Musik. Ihr Spektrum reicht von den um das Jahr 1200 in Paris entstandenen Organa Perotins bis zu den Komponisten der unmittelbaren Gegenwart.
Arvo Pärt und Giya Kancheli, Valentin Silvestrov und Tigran Mansurian wurden durch die ECM New Series im Westen eingeführt; seit Jahren veröffentlichen György Kurtág und Heinz Holliger wesentliche Teile ihres Oeuvres bei dem Münchner Label. Interpreten wie das Hilliard Ensemble, Kim Kashkashian, Gidon Kremer und András Schiff legen exemplarische Interpretationen der Klassiker vor und sorgen regelmäßig für aufregende Repertoire-Neuentdeckungen. Genre- und kulturübergreifende Projekte bilden einen Katalogschwerpunkt beider Reihen – von den Aufnahmen des „Codona“-Trios um 1980 über „Officium“, das Zusammentreffen zwischen Jan Garbarek und den Hilliards (1993), bis hin zu Jon Balkes im Frühjahr 2009 veröffentlichter Imagination altandalusischer Musik in seinem „Siwan“-Projekt. ECM gilt heute als „wichtigstes Markenzeichen der Welt für Jazz und zeitgenössische Musik“, wie der britische Independent einmal bemerkte.
Form und Beständigkeit der komponierten Musik haben Einzug in die Improvisation gehalten; andererseits wird in den inspirierten Interpretationen komponierter Werke immer wieder ein Moment von Risiko, Spontaneität und improvisatorischer Freiheit spürbar. Paul Griffiths, der britische Musikschriftsteller, bringt dies auf den Punkt: „ECM ist zu einem ganz eigenen Genre geworden, einem Genre mit unscharfen Rändern aber einer deutlich definierten Mitte.
Angesiedelt an einem Ort, an dem Musik unabhängig von ihrer Herkunft geschätzt wird. In einer Zeit, in der noch keine endgültigen Festlegungen gelten, in der selbst eine Aufnahme – scheinbar Abschluss des kreativen Prozesses – ihren Wert darin erweist, dass sie eine Frage aufwirft, oder mehr als eine.“ Von Anfang an orientierte sich ECM am Modell literarischer Verlage. „Unsere Arbeit basiert auf dem Prinzip der Dauer“, hat Manfred Eicher kürzlich in einem Interview gesagt.
Viele der Musiker, die Anfang der siebziger Jahre als Mittzwanziger ihre ersten Aufnahmen bei ECM vorlegten, sind dem Label bis heute verbunden. Ihre individuelle Entwicklung spiegelt die des Gesamtkatalogs ebenso wider wie das Label sich aus einer Fülle langfristiger künstlerischer Prozesse speist. Schon deshalb sollen die Aufnahmen grundsätzlich immer verfügbar bleiben; der Hörer soll stets alle Titel eines Autors erhalten können. „Wichtig ist auch, dass sich Beziehungen zwischen den Künstlern des Verlages entwickeln, denn das kommt ihrem Schaffen zugute“, sagt Eicher.
Als Recording Producer versteht er sich als Partner der Künstler, der von der Auswahl der Aufnahme-Orte, über die musikalische Gestaltung des Albums bis hin zum Cover-Design federführend an allen Arbeitsprozessen beteiligt ist. À propos Cover: Die ECM-Plattenhüllen, viel bewundert und viel kopiert, haben Design- Geschichte geschrieben. Im Herbst dieses Jahres erscheint beim Schweizer Lars Müller Verlag ein opulenter Band über die Cover Art des Labels. Oft wird ECM mit einem klaren und obertonreichen Aufnahmeklang identifiziert. Dennoch gilt, dass ein pauschaler „ECM-Sound“ so nicht existiert.
Die Aufnahme richtet sich nach dem Aufzunehmenden, nicht umgekehrt. „Natürlich wenden wir auch technisch alle erdenkliche Sorgfalt auf“, sagt Manfred Eicher. „Das Entscheidende aber ist die Musik selbst sowie die ästhetische Vorstellung, die mit ihr verbunden ist. Daraus ergeben sich jeweils die Charakteristika des Klangs. Das Gefäß richtet sich immer nach dem Inhalt.“ Wie vielfältig diese Inhalte sind, machen die Veröffentlichungen des Jahres 2009 deutlich: Neben Arvo Pärts neuesten Werken auf „In Principio“ stehen Ambrose Fields elektronische Annäherungen an Guillaume Dufay, neben Jan Garbareks erstem Live-Album unter eigenem Namen steht das Debüt des aufregenden New Yorker Trios „Fly“ – um nur einen winzigen Ausschnitt des Spektrums zu nennen.
Das Label hat übrigens nie über ein eigenes Tonstudio verfügt. Für jede Produktion wird ein akustisch wie atmosphärisch geeigneter Raum ausgewählt – sei es in Oslo, New York, Lugano oder Udine, sei es das funktionale Zürcher Radiostudio oder die Kapelle der idyllischen Propstei St. Gerold im österreichischen Vorarlberg. Mehr als 1000 Alben liegen inzwischen vor, darunter Millionenerfolge wie Keith Jarretts „Köln Concert“, Pat Methenys „Offramp“ und „Return to Forever“ oder das erwähnte „Officium“. Vierzig Jahre unter unveränderter Leitung, hat sich ECM seine wirtschaftliche wie künstlerische Unabhängigkeit stets bewahrt.
Die Firma im Münchner Westen mit kaum mehr als einem Dutzend Mitarbeiter stützt sich auf einen gut eingespielten internationalen Vertrieb, der in den Hauptmärkten von Großkonzernen, in den wichtigen anderen Ländern aber von kleinen, unabhängigen Firmen vertreten wird. Noch immer wächst die jährliche Produktion bei ECM auch quantitativ – und das in einer Zeit, da die Plattenindustrie sich offiziell in ihrer tiefsten Strukturkrise seit langem befindet. Manfred Eicher sieht sie distanziert: „Seit vierzig Jahren haben wir es jede Dekade wieder mit einer vermeintlichen „großen Krise“ zu tun. Die Ölkrise der frühen siebziger Jahre schien den Tod der Vinyl-Platten anzukündigen; heute droht das Ende des materiellen Tonträgers. Entscheidend ist, dass wir die besten Künstler unserer Zeit unter optimalen Bedingungen aufnehmen, ernsthaft und integer. Für die ökonomischen Probleme wird es immer eine Lösung geben. Kunst und Musik sind und bleiben ein elementares Bedürfnis der Gesellschaft!“
ECM Veröffentlichungen (Auswahl – alle Veröffentlichungen unter www.ecm-records.de/)
Jan Garbarek Group – Dresden – 2CD 270 9572 – Erhältlich ab: 04.09.09
Lang erwartet und eine Premiere obendrein. Sechs Jahre nach Garbareks letztem Leader- Album („In Praise of Dreams“) kommt die allererste Live-Aufnahme der immens populären Garbarek Group, der Mitschnitt eines ekstatischen Konzerts vom Oktober 2007. Die Band, nach dem Ausscheiden Eberhard Webers nun mit dem Brasilianer Yuri Daniel am Bass, setzt altes und neues Repertoire unter Strom. Garbarek selbst ist in bestechender Form, wobei er in Manu Katchés kraftvoll pulsierendem Schlagzeug einen stimulierenden Widerpart findet. Zu hören sind Hits wie „12 Moons“, „There were Swallows“, „Voy Cantando“, eine glühende Version von „Paper Nut“ und vieles mehr. Das Album erscheint zur großen Herbsttour der Garbarek Group.
Keith Jarrett – Testament – 3 CD 270 9583 – Erhältlich ab: 02.10.09
Keith Jarretts Soloabend in der Berliner Philharmonie am 12. Oktober dieses Jahres, der erste überhaupt im berühmtesten Konzertsaal Deutschlands, war in wenigen Tagen ausverkauft. Parallel dazu erscheinen zwei herausragende Dokumente vom Herbst vergangenen Jahres, aufgenommen in der Pariser Salle Pleyel und in der Royal Festival Hall in London. Wie schon im Fall von „Radiance“ und dem „Carnegie Hall Concert“ improvisiert Jarrett in kleineren Formen; das stilistische Spektrum reicht von Blues- und Boogey-Reminiszenzen über Anklänge an die Klaviermusik der klassischen Moderne bis hin zu spontan extemporierten Balladen. „That old Jarrett magic forges majestically on“, kommentierte der Guardian nach dem Londoner Auftritt.
Anouar Brahem Quartet – The Astounding Eyes of Rita – 179 8628 – Erhältlich ab: 25.09.09
Drei innerhalb kurzer Zeit entstandene Fragmente waren es, die den Keim bildeten für Anouar Brahems neues Programm. Rhythmisch lebendige, eng verzahnte Dialoge in der Mittellage herrschen vor im neuen Quartett, das Brahem gemeinsam mit Manfred Eicher zusammengestellt hat: Der deutsche Bläser Klaus Gesing, ein Improvisator mit enorm beweglicher Phrasierung, scheint eine natürliche Affinität zur Klangwelt des Tunesiers mitzubringen. Das Timbre von Björn Meyers Bass mischt sich mühelos mit dem Oud und legt ein agiles Fundament. Der junge Libanese Khaled Yassine schließlich sorgt für den vitalen Puls einer Musik, in der Überliefertes und Gegenwärtiges, Strenge und Freiheit einander stets bedingen.
Stefano Bollani Trio – Stone In the Water – 179 4161 – Erhältlich ab: 11.09.09
„Stone in the Water“ stellt erstmals das dänische Trio des brillanten italienischen Pianisten vor – bei ECM war er zuletzt auf Enrico Ravas „New York Days“ vertreten – eine Gruppe, die in sechsjähriger Zusammenarbeit ein erstaunliches improvisatorisches Verständnis untereinander entwickelt hat. Noch länger, bereits 15 Jahre, musizieren Bassist Jesper Bodilsen und Drummer Morten Lund gemeinsam. Mit größter Sensibilität bewegen sich die drei Musiker durch ein ausgesprochen originelles Programm, das neue Stücke von Bollani und Bodilsen enthält, dazu Balladen von Caetano Veloso und Antonio Carlos Jobim sowie Poulencs „Improvisation en la mineur“ – womit sich dem altehrwürdigen Piano Trio eine Fülle frischer Farben und Tonfälle erschließt.
Tomasz Stanko Quintet – Dark Eyes – 271 1266 – Erhältlich ab: 09.10.09
Stankos slawisch glühende Seelenmusik und sein wunderbar körniger Trompetenton im neuen Kontext: Ähnlich wie sein Vorbild Miles Davis verfügt der experimentierfreudige polnische Jazz-Meister über langjährige Erfahrung und ein ausgeprägtes Talent als Scout und Mentor hoch talentierter Nachwuchskollegen. Zusammen mit zwei Finnen und zwei Dänen, allesamt Musiker von größter Fantasie und Sensibilität, spielt er neue Eigenkompositionen von beinahe klassischem Zuschnitt, darunter das von einem Kokoschka-Gemälde inspirierte Stück „The Dark Eyes of Martha Hirsch“ sowie eine neue Version des „Last Song“ von seinem ECM-Debüt „Balladyna“. Zwei Nummern huldigen überdies Stankos großem Landsmann Krzysztof Komeda.
András Schiff – Bach: Sechs Partiten BWV 825-830 – 2CD 476 6991 – Erhältlich ab: 28.08.09
Nach seinem viel gelobten Beethoven-Zyklus kehrt András Schiff zu Bach zurück: Bei einer Matinée im Neumarkter Reitstadl nahm er 2007 die großartigen sechs Partiten auf, die Bach selbst 1731 als allererstes seiner Werke publizierte, weil er eine einzigartige Synthese der traditionsreichen Suitenform in ihnen verwirklicht sah. Verglichen mit seiner Londoner Studioaufnahme von 1983 demonstriert die neue Version Schiffs interpretatorische Entwicklung hin zu mehr Freiheit, Klangreichtum und der schieren Lust an der Phrasierung. Eingeflossen sind auch die Erfahrungen des Pianisten als Dirigent der großen Bachschen Chorwerke.
Kim Kashkashian – Neharót – 476 3281 – Erhältlich ab: 28.08.09
Zwei Jahre nach ihrem wunderbaren Album spanischer und argentinischer Lieder („Asturiana“) geht die Bratschistin den faszinierenden Querverbindungen zwischen drei zeitgenössischen Komponisten aus Israel und Armenien nach. Die berührenden Stücke von Betty Olivero, Tigran Mansurian und Eitan Steinberg, die sich auf Klagegesänge des Nahen Ostens, armenische Weisen und chassidische Melodien beziehen, stellen wiederum den vokalen Ausdruck in den Mittelpunkt. „Was wir in dieser Musik hören, weckt Resonanzen jenseits unserer bewussten Erfahrung“, schreibt Paul Griffiths in seinem Booklettext. „Indem sie diese Lieder in einem männliche und weibliche Komponenten verbindenden Hybridregister anstimmt, singt Kim Kashkashians Bratsche für uns alle.“
Thomas Zehetmair – Paganini: 24 Capricen für Solo-Violine- 476 3318 – Erhältlich ab: 28.08.09
Warum noch einmal die „Capricen“? Galt nicht schon die erste Version aus den frühen neunziger Jahren als Referenz? „Weil es sie gibt!“, könnte Thomas Zehetmair auf alte Alpinistenart antworten. Er hat viel dirigiert in den letzten Jahren, er hat großartige Quartett-Aufnahmen vorgelegt, und als Solist hat er Mozart mit ebenso feinem Stilempfinden interpretiert wie Eugène Ysaÿ e oder das Violinkonzert von Heinz Holliger. Doch für die größte Herausforderung an den Geiger schlechthin hält Zehetmair nach wie vor Paganinis 24 Capricen: „Diese Stücke sind keine Etüden und keine emotionslose Pyrotechnik, sie sind improvisierte Charakterstücke voller Poesie und Fantasie.“
Rolf Lislevand Ensemble – Diminuito – 4763317 – Erhältlich ab: 25.09.09
Auf seinem zweiten ECM-Album „Diminuito“ widmet sich der norwegische Meisterlautenist Madrigalen, Chansons und virtuoser Lautenmusik aus dem 16. Jahrhundert. Sie offenbaren die unmittelbar zu uns sprechende Modernität von Komponisten wie Giovanni Antonio Terzi oder Joan Ambrosio Dalza. Die meisten Stücke stammen aus dem Veneto, wo seinerzeit Einflüsse orientalisch-levantinischer Musik wirksam wurden. Der Albumtitel bezieht sich auf die Praxis der virtuosen Verzierung vokaler Linien, der „Verkleinerung“ rhythmischer und harmonischer Einheiten in rasenden Läufen, Arpeggien und Arabesken. Gastauftritte haben die hellen Soprane von Anna Maria Friman und Linn Andrea Fuglseth aus dem Trio Mediaeval.
Valentin Silvestrov – Sacred Works – 476 3316 – Erhältlich ab: 16.10.2009
Geistliche A-cappella-Werke von Valentin Silvestrov – ein Novum im Schaffen des Ukrainers. „Als Individualist“, so der Komponist, „hatte ich eigentlich nie daran gedacht, Chorwerke zu schreiben. Der Dirigent Mykola Hobdytsch ermunterte ihn dazu, sich intensiver mit den Möglichkeiten des mehrstimmigen Gesangs und alten russischen Litaneien zu beschäftigen. Die Aufspaltung des Chores in kleinere Gruppen nutzt Silvestrov für einzigartige klangliche und harmonische Pianissimo-Effekte. Gelegentlich werden Assoziationen an die „Stillen Lieder“, die Stücke für Soloklavier und das „Requiem für Larissa“ wach. Die herausragenden Interpretationen entstanden 2006 und 2007 in Kiew.
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