In drei Wochen startet das 22. European Media Art Festival mit Produktionen international bekannter Medienkünstler und innovativen Arbeiten erfolgreicher Talente aus den Akademien. Aus 2400 eingereichten Arbeiten weltweit wurden in diesem Jahr in allen Sektionen rund 250 aktuelle Beiträge für das Festival ausgewählt, die einen umfassenden Einblick in die neuen Tendenzen der Medienkunst bieten.
// CINEMA
Die Filmprogramme zeigen unter anderem, wie bereits der Weg zur Arbeit abenteuerlich sein kann – ganz zu schweigen von den Mysterien eines Büros oder den Achterbahnfahrten an der Börse. Und glücklich kann sich der schätzen, der am Ende des Tages noch einen Job und Zeit für seinen Körper hat. Insgesamt gibt es in diesem Jahr eine starke Tendenz zum Performativen, zum spielerischen Akt und der Interpretation von narrativen Stoffen. Johan Grimonprez arbeitet mit einer erweiterten Version wieder mit dem Mythos Alfred Hitchcock und verfolgt in »Double Take« die Doppelgänger-Idee weiter. Das Programm »Men at work« zeigt soziale, persönliche und allgemein gesellschaftliche Konflikte. In »Femmes totales« sind Filme über Frauenbilder zusammengestellt: über Mädchen, Mütter, Diven und Dykes, die sich im und als Bild neu erfinden. Ein Blick hinter die Kulissen des weiblichen Multitasking. Das Programm »Arts Ltd.« macht deutlich, dass Kunst Arbeit ist, die strukturiert werden muss – schließlich will der Künstler davon leben. Die Arbeiten in »Ideologie und Agitation« vermischen fiktionale mit dokumentarischen Elementen. Sex und Crime dürfen natürlich ebenso wenig fehlen: Kim Gok aus Korea hat mit »Exhausted« eine post-industrielle Milieustudie kreiert, die die Abhängigkeit zwischen Opfer und Täter darstellt. Mit gerade 23 Jahren hat Thijs Gloger mit »Holland« eine wunderbar inszenierte Lebensstudie junger Holländer im Norden der Niederlande geschaffen, die weit weg von den Zentren der Unterhaltung und Ablenkung die T ristesse dieser bürgerlichen Alltagslangeweile in wohl komponierten Bildern darstellt.
// RETROSPEKTIVE
In der Retrospektive werden die amerikanischen Filmemacher Jordan Belson und Mary Ellen Bute vorgestellt. Belson begann wie viele seiner Experimentalfilmkollegen seine Karriere als Maler. Seit 1946 widmete er sich zunehmend der Produktion von bewegten Bildern, die er in einem aufwendigen Arbeitsprozess zu einem visuell-psychedelischen Seherlebnis transformierte. Mary Ellen Bute ist eine Pionierin visueller Musik und elektronischer Kunst. Sie produzierte in den 1930er und 1950er Jahren über ein Dutzend kurze abstrakte Animationen. Ihre Filme sind mit klassischer Musik vertont und mit farbigen Formen, elegantem Design und lebhaften tanzähnlichen Rhythmen ergänzt. Beide Programme werden von Cindy Keefer, Direktorin des Center for Visual Music Los Angeles, kenntnisreich und unterhaltend eingeführt.
// KONGRESS
Der Kongress bezieht in diesem Jahr zu verschiedenen Themen Stellung. Wichtige Ankerpunkte sind die aktuellen Ereignisse, wie die Krise in der Banken- und Wirtschaftswelt oder der Konflikt zwischen Israel und Palästina. Der Autor und Journalist Stefan Heidenreich beschäftigt sich mit historischen, theoretischen und praktischen Fragen im Hinblick auf die Finanzkrise: Eröffnen die wirtschaftlichen Zusammenhänge für die künstlerische Produktion neue Möglichkeiten und Aufgaben? Wie verändern sich die Rollen von Kritikern, Kuratoren oder Künstlern? Außerdem stellt die Produzentin Osnat Trablesi (Tel Aviv) die mit dem Prix Europe ausgezeichnete Netz- und TV-Produktion »Gaza-Sderot: Das Leben trotz allem« vor. Trotz der täglichen Gefahr von Luftangriffen und Raketenschüssen hören die portraitierten Menschen nicht auf, zu arbeiten, zu lieben und zu träumen. In Analogie dazu wird das Thema »Medienkunst und Krieg« mit Blick auf die Ausstellung »Bilderschlachten« aufgegriffen. Beteiligte Künstlerinnen und Künstler stellen ihre Sichtweise und Arbeiten in Präsentationen vor. Ein weiterer Themenschwerpunkt ist dem Kapitel »Medienkunstarchive« gewidmet. Unter dem Titel »From Archive to Living Database« werden im Rahmen des Pilotprojekts »mediaartbase.de« unterschiedliche Vermittlungsformen der Arbeit in und mit Archiven präsentiert. Prof. Oliver Grau plädiert für Dokumentation, Sammlung und Erhaltung der evolutionären Geschichte der audiovisuellen Medien und ihrer Widersprüche. Dr. Achim Heidenreich vom Institut für Musik und Akustik des ZKM spricht schließlich über Musik als Gedächtnis des Films. Er beschäftigt sich mit neuen dramaturgischen Problemen und Möglichkeiten der Kombination von Musik und bewegtem Bild in digitaler Zeit.
// PERFORMANCES
Das Duo „Bubble Beatz“ aus der Schweiz begeistert bei seinen Performance-Konzerten mit hypnotischen Groove. Zusammengesetzt aus verbeulten Verkehrsschildern, Bratpfannen und Benzinfässern bildet die »Trashmaschine« den Mittelpunkt ihrer schweißtreibenden Show. Ihr Sound zwischen House, Industrial, 2Step, Drum’n’Bass, Big Beat, Latin und Funk vermengt mit soliden Bass-Lines und experimentellen Klängen ist ein Augen- und Ohrenschmaus, der den Erfolg ihrer Live-Auftritte garantiert. Mit Scanner ist einer der renommiertesten audiovisuellen Künstler aus Großbritannien auf dem EMAF vertreten. Seine mit dem ostdeutschen Künstler Maix Mayer entwickelte Live- Performance »Raumgleiter« bezieht sich auf das Verhältnis von Architektur, Räumen und Sound. »Meine Arbeiten untersuchen immer die Beziehung zwischen Klang und architektonischen Räumen auf der einen Seite und dem Raum zwischen Information, Geschichte und dem Verschwinden unserer eigenen Erinnerungen auf der anderen.« (S canner)
Selene States: „User Guide to the Semiotics of the Kitchen“
// MEDIA CAMPUS
Der Media Campus präsentiert zwei Ausstellungen sowie Film- und Videoprogramme mit studentischen Arbeiten aus ganz Europa, den USA, Lateinamerika und Asien. Außerdem werden spannende und lehrreiche Specials angeboten. Ein besonderes Highlight ist der Workshop von und mit der französischen Künstlerin Anne Roquigny. Gemeinsam mit einer Gruppe von Studierenden wird sie während des Festivals eine Live-Performance erarbeiten. Die Macromedia Akademie der Medien Osnabrück bietet ein Flash-Seminar an, in dem Studenten lernen können, wie man kreative Flash-Animationen erstellen kann. Exklusiv für Studentinnen und Studenten bieten wir in diesem Jahr auch die Möglichkeit, sich von Kurator Hermann Nöring durch die Ausstellung „Bilderschlachten“ führen zu lassen.
// AUSSTELLUNG: BILDERSCHLACHTEN
Die Ausstellung »Bilderschlachten« zeigt erstmals, wie seit 2000 Jahren Nachrichten aus dem Krieg übermittelt wurden. Sie bietet eine Zusammenstellung von Exponaten aus den Bereichen Technik-Medien-Kunst. Aktuelle Medienkunst macht dabei auf den Konsum- und Lifestyle-Charakter der Kriegsbilder aufmerksam. Viele Künstlerinnen und Künstler beschäftigen sich mit der Darstellung des Krieges, der durch die Massenmedien ins Wohnzimmer gelangt. Sie reagieren teils analytisch, teils sehr persönlich auf die ausgefeilten Inszenierungen der Medien und die Anziehungskraft ihrer Gewaltbilder.
22. EUROPEAN MEDIA ART FESTIVAL
Festival: 22. – 26. April 2009
Ausstellung: 22. April – 4. Oktober 2009