Balbina "Nichtstun"

Balbina „Nichtstun“

Am 27. Juni veröffentlicht die Berliner Texterin und Sängerin Balbina ihre EP »Nichtstun« auf Four Music. »Nichtstun« ist ein Sammelsurium magischer Momente und faszinierender Beobachtungen, die in kleine Geschichten und große Lieder verpackt sind.

Balbina "Nichtstun"
Balbina „Nichtstun“
Balbinas Welt liegt versteckt, gleich hinter der Realität. Doch wenn man etwas unscharf hinsieht, dann kann man sie erahnen: »Durch die Gardine fällt das Licht gerade so / Ein in die Wohnung, dass auf der Tapete Sterne tanzen«.

Denn die Schatten des Vorhangs bilden geheime Zeichen an der Wand, die Heizungsrohre flüstern geheime Botschaften und das Pfeifen des Teekessels summt eine Melodie.

Die Dinge haben eine Seele und Balbina kann sie sehen.

Die Umstände, in denen Balbina aufwuchs, waren sehr unkünstlerisch und recht unmusikalisch. Ihre Mama hatte gerade einmal eine Handvoll Kassetten. Eine davon zog Balbinas Aufmerksamkeit besonders auf sich: ABBA »The Greatest Hits«.

Wenn man bei dem alten Mono-Kassettenrecorder auf »Play« drückte, dann lief genau das. Rauf und runter, unentwegt. Bereits damals wusste Balbina, dass sie eines Tages ebenfalls Musik machen würde. Sie würde Lieder komponieren und Texte schreiben, genau wie die zwei Männer und Frauen, die da auf dem Cover der Kassette zu sehen waren.

Sie würde Musik machen. Da war sie sich ganz sicher. Doch wem sollte sie davon erzählen? Ihrer Mutter? Sie traute sich nicht. Wenn die Mama abends von der Arbeit kam, dachte Balbina, dass eine 2 in Geographie bestimmt viel wertvoller sei und ihre Mutter sicher glücklicher machen würde. Also erzählte sie von Geo und Mathe, anstatt davon, dass sie wieder einmal den ganzen Nachmittag lang im Badezimmer an ein und derselben Gesangspassage geübt oder im Hort die Erzieherinnen genervt hatte, weil sie wieder eine Aufführung inszenieren wollte.

Dabei hatte sie neue Lieder für eine eigene Peter Pan-Version geschrieben und wollte die Rollen mit ihren Mitschülerinnen besetzen. Unkonzentriert sei sie, abwesend und oftmals viel zu zappelig, attestierten ihr die Lehrer, worauf sich Balbina zurückzog. Was hätte sie auch anderes machen können? Nachmittags aber, wenn ihre Mutter bei der Arbeit war, hörte sie Whitney Houston im Radio und übte so lange, bis sie die Songs ungefähr so singen konnte, wie die Frau aus Amerika. Dann las sie Märchenbücher und verschwand in Traumwelten.

Sie ließ Eis auf den Bäumen am Straßenrand wachsen und wanderte durch das magische Tor über den Regenbogen. Balbinas Welt war nicht von dieser Welt. Was sie dort erlebte, war so stark, dass mancher vielleicht denken konnte, sie würde nie wieder zurückkehren. Doch solange sie ihre Hausaufgaben ordentlich machte, war alles in Ordnung.

Eines Tages sollte sie im Deutsch-Unterricht ein alternatives Ende für »Homo Faber« schreiben. Und Balbina schrieb einen Aufsatz, als wäre es ihr letzter gewesen. Und sie bekam die Note 1. Doch als die Lehrerin den Text vorlas, lachte die ganze Klasse. Alle lachten über alles, was sich Balbina da ausgedacht hatte. Die Lehrerin erschreckte sich. Und korrigierte die Note nach unten. Ab diesem Zeitpunkt schrieb Balbina ihre Geschichten und Lieder nur noch für sich selbst. Irgendwer würde sie schon irgendwann mögen. Daran glaubte Balbina. Auch wenn sie selbst schon fast nicht mehr daran glauben konnte.

Mit 18 zog Balbina von zu Hause aus. Sie hatte einen Job, ein Studium begonnen und sich seit ihrer Pubertät intensiv mit deutschem Rap beschäftigt. Die Art, sehr lange Texte in sehr kurzen Musikstücken unterzubringen, beeindruckte sie. Auch sie hatte viel zu sagen und immer Schwierigkeiten, ihre Strophen in die passende Musik zu quetschen. Des Öfteren traf man sie im Royal Bunker an – dem Treffpunkt der Berliner Untergrund-Rap-Szene. Balbina holte sich die Kassetten von MOR, Justus, Fumanschu oder Prinz Pi.

Sie lernte viele Gesichter dieser Szene kennen, während sie selbst bereits Geld als Studiosängerin verdiente. Es kam eins zum anderen und sie nahm mit dem Produzenten Biztram ihr Debütalbum auf. Balbina und Biztram waren auf einer Wellenlänge. Sie mochten die gleiche Musik und schufen gemeinsam »Bina«, ihr erstes Album mit so großartigen Liedern wie »Zauberland«, »Sigmund« oder »Heizung«.

Balbinas Texte und damit auch ihre Musik kommen aus dem Reich der Träume. Wie ein fernes Echo aus längst vergangenen Tagen kreisen ihre Geschichten um die Magie des Alltags und die Erlebniswelten von Kindern. Damals, als man noch mit kleinen blauen Kristallkugeln sprechen konnte und das Wünschen noch geholfen hat. Balbina aus der Hochhaussiedlung in Berlin-Rudow möchte diese Welt wiedererwecken.

»Ich hüpf vom Lügengerüst ins Märchenschloss und drück mich dort vor jedem Stück Wahrheit / Wie ein Kind vorm Vollkornbrot zum Frühstück – bitte nicht noch ein Stück.«