Frans Zimmer aka ALLE FARBEN

Interview mit Alle Farben

Der Kreuzberger Frans Zimmer ist in den letzten acht Jahre unter dem Künstlernamen ALLE FARBEN zu einer Größe der heimischen und internationalen Musikszene herangewachsen.

Bekannt wurde er vor allem durch seine DJ Mixe auf Soundcloud, die er nach Farben benannt hat.

Für seinen einzigartigen Sound vereint er Musikrichtungen und Komponenten, die auf den ersten Blick wenig gemeinsam haben. Seine Sets bringen sogar tanzscheue Menschen dazu mindestens mit dem Fuß zu wippen.

Frans Zimmer  aka  ALLE FARBEN
Frans Zimmer aka ALLE FARBEN

FRAGE: Was gefällt dir besonders an Kreuzberg und wieso ist dieser Ort so wichtig für dich und deine persönliche Entwicklung?
ALLE FARBEN: Also ich bewege mich in meiner Freizeit viel in Kreuzberg, ich gehe gerne in Parks auf jeden Fall, denn Berlin hat davon eine Menge und man kann schöne Spaziergänge machen. Aber auch sonst bewege ich mich natürlich viel in Kreuzberg, ich bin schließlich hier geboren und aufgewachsen und wohne auch immer noch hier. Ich habe viele andere Bezirke und Städte gesehen, aber es hat mich nie gereizt woanders hin zu ziehen. Selbst die anderen großen Städte bieten nicht das, was Berlin bietet. In Berlin kann man einfach entspannt leben – man hat viele ruhige Ecken, man kann natürlich aber auch weggehen, wenn man möchte. Man kann hier Kunst erleben. Und das alles nicht gezwungen, sondern man kann, wenn man will.

FRAGE: Welche Möglichkeiten hat dir das Leben in Berlin und vor allem Kreuzberg als Künstler gegeben?
ALLE FARBEN: Zu Kreuzberg, wie gesagt, habe ich natürlich allein dadurch, dass ich da geboren und aufgewachsen bin, einen besonderen Bezug. Aber was ich ziemlich wichtig finde, ist dieser Schmelztiegel von Künstlern. Ich fühle mich einfach sehr willkommen dort. Sei es, als ich ein Studio oder eine günstige Wohnung gesucht habe. Es lief nämlich nicht immer so gut für mich und dann muss man halt kämpfen und das kann man in Kreuzberg sehr gut. Man hat Unterstützung, man hat andere Künstler, man bekommt Möglichkeiten als DJ zu spielen. Als Musikmachender ist es auf jeden Fall ein großartiger Ort.

FRAGE: Wann und wie fing dein Interesse nach Musik und deren Gestaltung an?
ALLE FARBEN: Ich habe natürlich viel versucht wegzugehen. Mit 14 war das natürlich schwierig, aber dann besucht man irgendwie Punkrockkneipen, wenn man da rein konnte. Oder man ging auf Konzerte. Zu der Zeit war das ja alles auch noch ein bisschen lockerer, die Alt-68er Prägung war halt noch etwas stärker, als das heute vielleicht der Fall ist, der Mauerfall hat noch mehr seine Spuren hinterlassen – du hast noch viel mehr Freaks da gehabt. Also ein sehr angenehmes Klima, muss ich sagen. Ich habe mich viel in der Köpi bewegt, das ist ein altbesetztes Haus in der Köpenickerstraße und mit 16, 17 habe ich da auch ein bisschen mitgewirkt bei Konzerten, hab im Booking mitgeholfen. Von der politischen Dimension des Ortes habe ich eigentlich gar nicht soviel mitbekommen, weil ich nicht so in der Szene drin war. Ich hatte halt Punkerfreunde. Ich glaube es war gar nicht so, dass ich mir die Musikrichtung so hundertprozentig gewählt habe. Ich glaube ich habe mir halt meine Freunde gewählt und der Rest hat sich dann so ergeben.

FRAGE: Du hast ja demnach einen sehr vielfältigen musikalischen Hintergrund, den man ja jetzt auch in deinen Sets hören kann. Wann und wie bist du denn dann schließlich zur elektronischen Musik gekommen?
ALLE FARBEN: Das kam erst sehr viel später. Ich habe elektronische Musik erst mit 19 entdeckt. Da habe ich eines Tages bei mir im Hausflur zwei Platten gefunden, mein Nachbar war DJ und der hat aussortierte Platten in den Hausflur gelegt. Das waren zwei sehr schrottige Platten, muss ich im Nachhinein sagen – aber die haben mich zur elektronischen Musik gebracht. Die eine weiß ich nicht mehr. Das war eine trancige Platte. Die habe ich auch ehrlich gesagt nicht so viel gehört. Aber die andere war Shibuya Love von Yakuza im Lexy-Remix. Die mochte ich sehr gerne und hab sie auch gut gefeiert. Es war halt sehr Vocal-House-lastig, ein bisschen schräg, aber es hat mir gut gefallen. Und dann habe ich von da an weiter nach elektronischer Musik gesucht. Anfangs holprig, wenn man keine Ahnung hat, woher man das bekommt, dann geht man in irgendwelche Plattenläden. Da bin ich ins Soultrade gegangen. Das ist ein Funk- und Soulladen und der hat so eine kleine House-Rubrik gehabt. So fing es dann an, alles step by step, nicht so schnell wie jetzt.

FRAGE: Wie bist du denn an deine ersten Gigs gekommen und wann hat sich Leidenschaft zu Beruf entwickelt?
ALLE FARBEN: Ich habe auf Privatpartys gespielt, noch mit zwei riemenangetriebenen Plattenspielern ohne Pitch. Das heißt, Lied an Lied ohne Übergänge. Dann ging es halt weiter in kleinen Bars und Kneipen. Irgendwann halt auch die ersten Clubauftritte. Bei einem Straßenfest durfte ich dann in dem Geschenkeladen bei mir im Haus von Freunden meiner Eltern auflegen und so kam es, dass ich dann irgendwann eine Residency bekommen habe in einem anderem kleinen Laden, wieder von Freunden. Es hat sich alles so langsam entwickelt. Ich habe halt alles mitgenommen und immer versucht DJ Gigs zu bekommen. Es war meine Passion, ich wollte immer spielen. Und da war es mir halt egal, ob es die kleine Kneipe an der Ecke war oder der Club. Irgendwann kam dann der Punkt an dem ich mich selbständig gemacht habe als Musiker, das war erst so Ende 2009. In diesem Moment war es erst soweit, dass ich gedacht habe, okay jetzt versuche ich davon zu leben. Vorher war das immer mein Hobby oder halt meine Leidenschaft. Ich bin aufgewacht, der Plattenladen ist offen? Super lass hingehen. So habe ich dann glaube ich so viel Energie da rein gebracht, mich soviel damit beschäftigt und mich verbessert, dass es sich irgendwann mehr Leute angehört haben. Irgendwann hab ich dann einfach mein Hobby zum Beruf gemacht.

FRAGE: Was hast du denn davor gemacht, um dich finanziell über Wasser zu halten?
ALLE FARBEN: Ich habe gekellnert und ein bisschen in der Küche gearbeitet als Küchenhilfe. Dann habe ich eine Zeit lang als Konditor gearbeitet. Dann bin ich durch Kneipen gegangen und habe Postkarten, die ich selber gemacht habe, verkauft. Ich hatte halt auch einen Bezug zu Postkarten. Ich wollte ursprünglich mal Kunst studieren. Daher kommt auch mein Künstlername. Und ich habe mich immer irgendwie durchgeschlagen. Ich habe Ausstellungen gemacht und Bilder verkauft. Davon dann teilweise Platten finanziert oder neue Materialien zum Malen. Also es war eher so ein Durchschlagen, wie ich halt schon gesagt habe. So was Kämpferisches. Ich habe nie irgendwie jemanden gehabt, der gesagt hat, hier los, ich nehme dich in meinen Club und bezahle dich voll. Da waren auch 40,00 € in einer Bar super.

FRAGE: Du hattest also schon diverse Jobs und musstest immer kreativ sein dabei – wie kams denn zu der Konditorei?
ALLE FARBEN: Ich habe nicht in einer Konditorei gearbeitet, das war ein Café in dem ich anfangs noch in der Küche mit einem Koch zusammengearbeitet habe. Irgendwann habe ich das Backen aber selber komplett übernommen und dann auch andere Cafés beliefert von dem Café aus. Es war eher ein Zufall, dass ich dahin gekommen bin. Ich habe in der Küche geholfen. Ich habe Salat gewaschen als irgendwann der Küchenchef keinen Bock mehr hatte und meinte: „Hier ist ein Rezept, mach mal!“ Und dann war das so: „Okay hilfst du mir dabei?“ „Nein ich bin weg, tschüss.“ Und dann habe ich angefangen Kuchen zu backen. Der erste hat hingehauen und dann habe ich da weiter gemacht. Das hat auch viel Spaß gemacht und ist eine super Zeit gewesen. Ich habe immer arbeiten können, wann ich wollte. Es musste nur zum nächsten Tag fertig sein. Das heißt, ob nachts oder vor einer Party, nach einer Party, irgendwie müssen diese Kuchen fertig werden. Da waren natürlich auch viele Strapazen. Aber im Grunde genommen entspannt. Ich habe Torten und Kuchen gemacht. Alles, was sich irgendwie in zwölf Stücke teilen lässt.

FRAGE: Was ist denn dann dein Lieblingskuchen?
ALLE FARBEN: New York Cheese Cake definitiv. Die kann ich sehr gut.

FRAGE: Und was hast du davon mitgenommen?
ALLE FARBEN: Also wenn man dreieinhalb Jahre als Konditor arbeitet, lernt man in der Küche umzugehen. Aber Backen ist halt so eine Sache, die man jetzt außer dem gelegentlichen Nachtisch nicht dauernd zu Hause macht. Und mich hat es dann gereizt, mich weiter damit auseinanderzusetzen, denn Kochen oder Backen ist ein sehr interessantes Thema. Es ist auch sehr weitläufig. Man kann sehr viel machen. Nachdem ich mit dem Konditorjob aufgehört habe, habe ich sozusagen das Kochen als neues Hobby für mich entdeckt. Mit den Zutaten zu hantieren reizt mich bis heute. Da man für sich alleine vielleicht nicht so viel kocht, habe ich angefangen Freunde einzuladen und dann wurde das so eine Sache, dass ich jeden Dienstag Freunde eingeladen habe. Inwzischen sind wir eine feste Gruppe von ungefährt acht Leuten, die natürlich ein bisschen variiert. Ich nehme mir einmal die Woche Zeit, wo ich Zutaten aussuchen gehe, wo ich mir ein Menü überlege. „Womit ich anfange, mit was für einer Suppe starte ich?“ Ich achte dann natürlich auch sehr auf Qualität und Saisonalität, sprich ich beschäftige mich auch mit den Zutaten und nicht nur mit dem Essen, denn ich bin sehr glücklich darüber, dass ich das für mich als Hobby habe. Und selbst wenn ich das mit viel Elan und Können mache, bin ich froh, dass für mich zu behalten.

FRAGE: Würdest du sagen, dass Hobby und Beruf – also Kochen & Backen und Musik – die Rollen getauscht haben?
ALLE FARBEN: Ja, ein bisschen schon, weil ich die Musik liebe und lebe, aber mein Hobby darin habe ich verloren. Es ist nicht mehr so, dass ich nach einem Wochenende an dem ich vier-, fünfmal gespielt habe nach Hause komme und das erst was ich mache ist, an die Plattenspieler zu gehen und erst mal zu spielen. So ist das halt leider nicht mehr. Aber deshalb bin ich besonders froh, was gefunden zu haben, was ich genauso machen kann. Ich komme nach einem langen Wochenende nach Hause und kann mich an den Herd stellen – also irgendwas, was ich für mich machen kann.

FRAGE: Wie hat sich denn die Wahrnehmung um deine Person und um das Phänomen „Alle Farben“ gewandelt im Laufe der Zeit? Und wie hat sich das musikalisch ausgedrückt?
ALLE FARBEN: Anfangs war es natürlich schwer. Man hat mich ganz am Anfang natürlich etwas getriezt: „Du bist kein Name, du ziehst keine Leute.“ Erst gucken sie halt, ob die Musik zu der Party passt, man wird dann als Warm-Up DJ gebucht und passt sich musikalisch etwas an. Ich habe damals noch ein bisschen anders gespielt – eher housiger, sehr hüftschwingig – und das hat schon immer ganz gut zum Eingrooven der Partys gepasst. Zu der Zeit lief ja überall eigentlich Minimal-Techno, da funktionierte House am Anfang eigentich immer ganz gut. Klar, am Anfang kam es natürlich dann auch manchmal zu Konflikten, wenn ich halt schon am Anfang ein bisschen mehr losgelegt habe, als es hätte sein sollen. Aber dadurch sind Leute auf mich aufmerksam geworden und ich habe mir einen Namen erspielt. Ich habe so viel und so oft gespielt ich konnte – ich konnte mir einen Namen erspielen. Auch wenn es immer nur Warm-Ups waren und mich vielleicht wenige Leute gesehen haben, einige sind dann beim nächsten Mal aber wiedergekommen. Und so hat sich das halt gemausert. Irgendwann kam dann ein Veranstalter und hat gesagt: „Hey! Wir wollen dich doch lieber für eine spätere Zeit!“ Und dann wars irgendwann die Primetime. Ich glaube es war gut, dass ich langsam gewachsen bin, step by step halt. So konnte ich auch an meiner Musik arbeiten und war nicht gleich an einem Punkt, an dem alle gesagt haben: „Genau diesen Sound wollen wir von ihm. Genau das ist es jetzt!“ Dann hätte ich mich vielleicht zu sehr auf einen Stil verkrampft und beschränkt. Mit diesem langsamen Wachsen konnte ich halt auch mit meiner Musik wachsen. Ich konnte halt sagen: „Okay, hier sind nur 50 Leute. Ich kann jetzt mal eine Nummer bringen, die ich mich nicht trauen würde, in der Hauptzeit zu spielen.“ Und ich glaube das ist halt auch gut für die Entwicklung insgesamt gewesen, denn der wirklich prägende Moment für meine Musik – das klingt jetzt ein bisschen komisch – war der Aufschluss zur digitalen Welt. Als ich gesehen habe, dass ich mich nicht mehr auf Vinyls beschränken muss, die ich mir dauernd kaufe, sondern lieber alles spielen möchte, habe ich angefangen Traktor Scratch zu benutzen. Das ist jetzt fünf Jahre her ungefähr. Da habe ich dann angefangen, mich auch wieder von anderen Musikrichtungen inspirieren zu lassen und diese in meine Sets einfließen zu lassen. Klassik beispielsweise. Ich glaube das war so der Moment, in dem ich auch meinen Stil sehr geprägt habe – an dem ich sage, daher kommt mein Stil, den ich jetzt spiele: Der Stil ist also letztlich durch die Möglichkeiten entstanden, die hervorkamen, als ich mich nicht mehr selber begrenzt habe.

FRAGE: Gabs gerade am Anfang Auftritte, die du heute lieber vergessen würdest und wie bleibt man motiviert, wenn’s mal nicht so rund läuft?
ALLE FARBEN: Ich glaube da gab es ein paar sehr schlimme Auftritte. Die Situation, dass man irgendwo nach Brandenburg in die Provinz fährt, da dann vier Leute mit riesigen Pupillen sind, du dich da ja so ein bisschen unbehaglich fühlst, weil du gerade erst aufgestanden bist, man dann irgendwie der Ausräumer ist und sich Fehl am Platze fühlt – die gabs sicherlich am Anfang. Das ist schon ein schlimmer Moment. Aber ich glaube jeder Moment ist unterschiedlich, die guten, wie die schlechten. Als ich zum Beispiel mit hohem Fieber zum Auftritt gegangenen bin, weil ich den Gig nicht abgsagen wollte, um dann zu merken, dass bei 40° Fieber körperlich, wie musikalisch nichts klappt – das ist natürlich auch nicht toll. Irgendwie findet man immer mal wieder einen Moment, der einen aus der Bahn wirft, fertig macht oder wo man einfach keine Lust mehr drauf hat. Aber ich glaube alles in allem hätte ich das nicht gemacht, wenn ich nicht immer so einen Bock darauf gehabt hätte. Es gibt natürlich auch lustigere Geschichten: Durch eine Verwechslung vom Flughafen bin ich mal zum falschen Flughafen geflogen. Das war ein Fiasko. Wenn man Geneva und Genua ein bisschen vernuschelt, dann kann man das halt auch schnell falsch verstehen. Ich bin nämlich zu spät zum Flughafen gekommen, auch da wegen eines kleinen Missverständnis. Da bin ich nämlich nach Schönefeld anstatt nach Tegel. Dann wieder zurück und mein Flieger war weg. Im letzten Moment musste ich dann umbuchen: „Was fliegt noch in die Umgebung von dem Gig?“ – und dann vernuschelt, gebucht, falsche Stadt. Das war ein mieser Moment, weil es auch die letzte Maschine war, die überhaupt zu diesem Flughafen geflogen ist. Ich konnte den Gig dann nicht spielen. Das war in dem Moment ein sehr stranger Moment.

FRAGE: Einfach im falschen Land.
ALLE FARBEN: Genau. Falsches Land, falscher Flughafen, andere Sprache.

FRAGE: Was waren denn deine Lieblingsgigs in letzter Zeit, du kommst schließlich inzwischen sehr viel rum?
ALLE FARBEN: Da würde ich sagen, das Dockville Festival in Hamburg. Das empfand ich letzten Sommer als das schönste Festival. Ansonsten fand ich den Gig in Thailand auch sehr geil. Anfang Januar, mitten im Dschungel an einem Wasserfall. Das war natürlich auch traumhaft. Da kommen andere Emotionen auf, als mit 5.000 Leuten zusammen zu agieren, wie ich das sonst inzwischen mache. Das war eher wirklich klassischer House, da war auch mal eine Nummer von Moloko dabei – so wie man sich den vorstellt von früher mit Gesang und Power.

FRAGE: Was hat dich denn musikalisch früher am meisten inspiriert oder geprägt? Du hattest ja schon erwähnt, dass du nicht durchs Clubben in die Szene geraten bist. Wie lief das?
ALLE FARBEN:Ich hatte damals sehr starke Inspirationen von ein paar Künstlern. Trentemøller war beispielsweise sehr wichtig für mich, weil er es geschafft hat aus diesem Minimal-Techno, der damals sehr in war, mit seinem melodischen Techno so ein bisschen rauszustechen. Was aber auch angelehnt war an House. Der hat Tech-House Nummern für mich gebracht, die ich heutzutage immer noch gerne spiele. Dann war da noch DJ Koze, der für mich eine Zeit lang sehr wichtig war. Mit Music Is Okay hat er mich auf jeden Fall umgehauen, weil er mir gezeigt hat, wie diese Club-Kultur, dieses House- und Tech-House-Phänomen auch mit anderer Musik mischbar ist. Hip-Hop war vielleicht nicht so sehr meins – aber durch ihn hab ich erfahren, dass diese Mixkultur weitaus mehr ist, als im Club vier Viervierteltakte übereinander zu bringen.

Alle Farben: Frans + Graham-Candy
Alle Farben: Frans + Graham-Candy
FRAGE: Wie kamst du denn eigentlich zum Produzieren und wie hat sich die Zusammenarbeit mit anderen Künstlern entwickelt, die deine Produktionen prägen?
ALLE FARBEN: Der Schritt kam relativ spät – deswegen auch das so späte Erscheinen meines Albums. Ich musste natürlich viel lernen, mich erst mal in die Materie reinarbeiten und austesten wie was funktioniert und was kann ich und wo muss ich mich noch verbessern. Und ich glaube ich war anfangs erst mal so überrumpelt von diesem DJ-ing. Das hat mich so geflasht, dass ich mich erst mal gar nicht weiter mit dem produzieren beschäftigt habe. Aber irgendwann kam ich dann an einen Punkt wo es wieder interessant wurde. Im Laufe der Zeit hat man andere Künstler kennengelernt, was am Anfang nicht so einfach war, weil ich relativ isoliert in dieser DJ-Welt war. Ich habe auch nie in einem Club bis 16:00 Uhr nachmittags gefeiert und irgendwelche Club-DJs da kennengelernt, sondern habe die Bookings über diese Bargeschichten bekommen. Da ist man natürlich dann nicht sofort in der Szene und lernt tausend DJs kennen. Der Schritt zum Produzieren kam dann aber doch mit dem Kennenlernen von einem Bekannten, der eigentlich eher Filmmusik gemacht hat. Den habe ich damals in einer Bar kennengelernt, in der er gearbeitet hat. Irgendwann haben wir uns mal zusammen ins Studio gesetzt und da ist der Gedanke entstanden: „Okay, ich will das jetzt machen!“ So ist dann in erster Linie mit viel Hilfe von ihm Danse entstanden. Kurz darauf habe ich ein DJ-Duo kennengelernt – Drauf & Dran – und einer der beiden hat mir auch viel gezeigt, viel auf den Weg gegeben. Auf dieser Grundlage – der Arbeit mit dem Filmmusiker und dem DJ-Team – habe ich den Anstoß gekriegt, das alles in die Wege zu leiten, so wie es jetzt ist. Es hat mich auch erstaunt, wie gut das Lied ankam. Ich glaube es lag sehr viel daran, dass die Idee gut war – die gute Stimmung aus dem Zusammenarbeitsprozess mit Drauf & Dran haben wir super umgesetzt bekommen. Die beiden haben dann auch den Remix dazu geliefert, was das Ganze irgendwie gut abgerundet hat.

FRAGE: Die Zusammenarbeit mit anderen und das Feedback dadurch scheint also sehr wichtig für dich zu sein. Wie lief das dann weiter? Es gab ja am Anfang viele „Alle Farben Remixe“.
ALLE FARBEN: Ich bin sehr glücklich darüber, dass das in der Vergangenheit gleich von Anfang an so gut geklappt hat – dass ich diesen Zuspruch bekommen habe. Ich glaube, ohne so viel Zuspruch wäre es für mich auch schwieriger geworden. Wenn man alleine oder auch zu zweit oder zu dritt in seinem Kämmerchen sitzt und man kein Feedback bekommt. Ich glaube, das frisst einen dann auf, weil man gar nicht weiß, „Ist das jetzt gut?“ Selbst, wenn es einem selbst gefällt – man braucht ein Feedback. Dadurch, dass meine erste Produktion durch den Drauf-&-Dran-Mix gut lief, bekam ich die Möglichkeit viele Remixe zu machen. Ich glaube gerade diese Remix-Arbeit hat mir sehr viel gebracht, weil man dann erst mal schon mit fertigen Bausteinen arbeitet und sieht, wie andere arbeiten. Und einen Einblick in die Arbeitsweise der Anderen bekommt, die man sich selber noch nicht erarbeiten konnte.

FRAGE: Wie kam es zu deinem Namen – der ja inzwischen fast jedem geläufig sein müsste?
ALLE FARBEN: Ganz am Anfang hieß ich Hundert Farben, inspiriert von Friedensreich Hundertwasser, ein Künstler, der mir sehr gefallen hat. Da ich Kunst studieren wollte, habe ich mich natürlich viel mit Kunst beschäftigt. Ich suchte nach einem Künstlernamen und habe mich am Anfang vielleicht etwas naiv angestellt, aber –zack– Hundert Farben hat gepasst. Das hat sich dann mit der Zeit entwickelt und irgendwann wurde Alle Farben daraus. Ich bin auch sehr glücklich mit dieser Namenswahl. Ich glaube, es passt mehr als je zuvor zu mir, weil ich auch selber mit meinem Namen gewachsen bin – und andersrum. Es ging alles Hand in Hand – dadurch, dass ich auch viele Musikrichtungen zusammenbringe, passt der Name gut.

FRAGE: Wie kam es eigentlich zu deinem markanten Logo, das deine zahlreichen Podcasts und deine Social-Media-Präsenz schmücken?
ALLE FARBEN: Mein Bruder hat das Logo entworfen und macht letztendlich das Design mit den Figuren und Comics. Entstanden ist das Ganze aus einem kleinen GIF, was ich mal auf meiner MySpace-Seite hatte. Aus dieser GIF wurde dann ein Aufkleber und so weiter. Irgendwann haben uns gedacht: „Das hat jetzt eine gewisse Größe erreicht!“ – ich hab ihn gefragt, ob er Lust habe mehr zu machen. Dann kam der erste Comic. Das war dann so der next Big Step – ein Punkt, an dem ich gesagt habe „Wow! Das mit diesem Comic, das freut die Leute voll.“ Das ließ sich beispielsweise gut auf Facebook teilen. So ging es dann los und hat sich so entwickelt, dass wir zu jedem Podcast ein Comic gemacht haben – so hat sich auch diese ganze Marke rund um diese Mischung aus Katzen, Hasen und Bären mit menschlichen Anwandlungen letztlich geformt.

FRAGE: Dein Debütalbum „Synesthesia“ steht in den Startlöchern und wird als das Album des Sommers 2014 gehandelt. Wie kam’s dazu und welche Bedeutung hat es für dich?
ALLE FARBEN: Die Idee zu einem Album wurde schon vor langer Zeit geboren. Ich wollte schon lange ein Album machen, aber ich musste erst mal auf ein Level kommen, auf dem ich gut genug bin, um meinen eigenen Ansprüchen gerecht zu werden – denn dadurch, dass ich meinen Namen vordergründig durchs Auflegen erspielt habe und erst zweitrangig durch meine Produktionen, lag der Fokus anders auf mir, als bei einem typischen Musiker. Insgesamt denk ich, dass ein Album schon viel früher rausgekommen wäre, wenn ich selber und andere Leute nicht so viele Erwartungen gesetzt hätten, aber so haben wir etwas geschaffen, das diesen gerecht wird – oder vielmehr überrasch ich die Leute vielleicht auf eine neue Weise.

FRAGE: Wie kam das Projekt ins Rollen und wie bist insgesamt vorgegangen?
ALLE FARBEN: Mit der Idee fürs Album und den ersten Anfangskizzen bin ich Anfang Sommer 2013 nach Utrecht auf ein Künstlercamp gefahren und habe dort Jenny kennengelernt, die als Lydmor Sängerin einiger Songs auf dem Album ist – das war auf jeden Fall ein großer Schritt, einfach mal zu sehen, was möglich ist. Ich hatte nämlich davor nicht so viel mit Sängern oder Live-Instrumenten, sondern hauptsächlich mit Samples gearbeitet – so hab ich gemerkt: „Okay, das ist das, was ich machen möchte. Ich möchte weg von dem Sampling. Ich möchte mit realen Musikern arbeiten.“ Diese Künstlerwoche war auf jeden Fall sehr wichtig für mich, weil ich auch viele andere Künstler kennengelernt habe, die letztendlich nicht mit auf dem Album sind, aber auch ein Stück weit Ideengeber sind und wichtig waren, um an diesen Punkt zu kommen und zu sagen: „Ich mach das Album so, wie es jetzt ist.“

FRAGE: Kurz gegoogelt und der Albumtitel leuchtet schnell ein – wie bist du darauf gekommen und wie spiegelst du dich dort wieder?
ALLE FARBEN: Also vorneweg – ich habe keine Synästhesie, das ist die Kopplung zweier oder mehrerer physisch getrennter Bereiche der Wahrnehmung, etwa Farbe und Temperatur. Vielleicht eine kleine, ich kann es nicht genau sagen, denn man weiß ja auch nie genau, wie andere Leute denken. Auf den Namen Synästhesie bin ich durch den Arbeitstitel des Albums gekommen – I think in colours that don’t exist. Googelt man das, kommt man ganz schnell auf Synesthesia und Synästhesie. Das war so schlüssig für mich, dass ich gesagt habe: „Das passt wie die Faust aufs Auge – das ist genau, wie ich mein Album nennen möchte.“ Das war dann relativ schnell gefunden. Schließlich hab ich diesen langen Namen, der mein Wunsch für Album Cover war, durch Gespräche mit anderen Künstlern und Freunden auf I think in colours gekürzt. Da dachte ich dann: „Okay, das ist zwar irgendwie passend, aber trotzdem nicht genau das, was ich mir bei dem Titel gedacht hatte.“ Und bei dem Zusatz von Synesthesia konnte ich sagen: „Das passt einfach genau.“ Das ist auch die Nähe zu dem „alten“ Titel.

FRAGE: Synästhesie oder Synesthesia ist dann also das Denken in Farben?
ALLE FARBEN: Genau, Farben hören und fühlen.

FRAGE: Die erste Single „She Moves (Far Away) des Albums ist ja bereits in aller Munde und im Radio zu hören – zusammen mit Graham Candy, einem neuseeländischen Singer-Songwriter hast du einen Anwärter auf den Sommerhit 2014 herausgebracht. Wie sind denn die ersten Reaktionen auf die Single als Vorspeise des Albums sozusagen?
ALLE FARBEN: Ich nehme geteilte Meinungen wahr. Ich bin nicht everybody’s darling – man kann es natürlich nie allen Recht machen. Aber ich glaube es war schon irgendwo ein mutiger Schritt – raus aus dem Club – und ich bin bekannt für den Club. Aber es war auch eine sehr bewusste Entscheidung. Ich wollte was Neues machen, wie ich schon bei dem Album erwähnte – ich wollte den Band-Charakter, die Zusammenarbeit mit Instrumentalisten, dass ich mit einem Sänger arbeite, in den Vordergrund stellen. Und dafür kommt das sehr gut an. Es läuft – keine Frage. Alle Erwartungen sind übertroffen, wie sehr sich die Leute für dieses Lied interessieren. Und das freut mich natürlich super, denn das ist natürlich genau das, was glaube ich jeder Künstler möchte – ,dass die Musik gemocht wird und man sich damit auseinandersetzt.

FRAGE: Bist du denn persönlich zufrieden mit dem Ergebnis? Oder gibt es Dinge, die du im Nachhinein anders gemacht hättest?
ALLE FARBEN: Also ich bin auch nie komplett zufrieden. Aber ich hatte mir ein Ziel, ein Time Limit gesetzt und ich denke es war auch gut, sich dieses Zeitlimit zu setzen, denn irgendwann verschlimmbessert man auch Sachen. Ich bin soweit absolut zufrieden. Es hat auch die Erwartungen, die ich vor einem Jahr an mein Album hatte, durch die Zusammenarbeit mit den Künstlern , wie den Musikern, den Instrumentalisten und den Sängern, weitaus übertroffen. Die meisten Lieder sind natürlich von denen mit geschrieben. Und von daher hat mich dieses Album auch einfach selbst überzeugt – so wie es ist.

FRAGE: Wie hast du deine Gastsänger kennen gelernt? Jenny von Lydmor gab dir ja die ersten Impulse in diese Richtung.
ALLE FARBEN: Genau, Jenny von Lydmor – das ist ein Band aus Dänemark –, die ich in Utrecht kennen lernte. Dann kam ich auf Graham Candy, der ist sehr kurzfristig, sehr spät dazugekommen und wurde mir von meinem Gitarristen empfohlen – eigentlich auch eine sehr schöne Geschichte, wie er dazugekommen ist. She Moves war nämlich ursprünglich ein ganz anderes Lied und auch nie als Singleauskopplung gedacht. Es war anfangs mit Klavier gespielt und noch viel clubbiger. Der Gitarrist kam auf die Idee: „Hey, ich spiel das mal mit einer Gitarre ein.“ Und dann stellten wir fest: „Wow – okay, das klingt jetzt ganz anders. Das ist super.“ Als er dann noch meinte, er kenne dafür den richtigen Sänger… Es war einfach eine schöne Geschichte. Es floss dann einfach alles so zusammen. Ich bin auch sehr froh, dass er dann noch ein zweites Lied des Albums gesungen hat mit Sometimes – was ich persönlich das schönste Club-Lied auf dem Album finde und in den letzten Wochen schon des Öfteren ausprobiert und auch ein tolles Feedback bekommen habe.

FRAGE: Worauf freust du dich denn besonders diesen Sommer – dein Festivalkalender ist so voll wie noch nie.
ALLE FARBEN: Also am meisten bin ich auf das zweite Mal Dockville gespannt. Es wird nämlich anders – der erste Gig mit Bandbesetzung, also ein Live-Set mit den Sängerinnen und Musikern. Da bin ich natürlich am meisten drauf gespannt, weil es das das erste Mal wird. Ich habe mir damals gesagt, dass ich kein normales Live-Set machen möchte, nicht einfach nur an einem Controller sitzen und rumdrehen will. Da kann ich mit Auflegen doch mehr machen. Da kann ich die Plattenspieler als Instrumente benutzen. Deshalb dacht ich mir: „Wenn, dann gleich richtig. Wenn, dann mit Band – mit kompletter Besatzung.“ Ansonsten freue ich mich sehr, dass ich bei vielen großen Festivals in Deutschland spielen darf. Aufs MELT! freue ich mich. Da war ich privat noch nicht einmal. Sonne Mond und Sterne und Nature One noch – das sind die drei Großen, auf die ich mich auf jeden Fall auch sehr freue.

FRAGE: Bei so vielen Festivals im Jahr – wie entscheidest du dich, wo du spielen möchtest? Hast du besondere Präferenzen diesbezüglich – zwischen kleineren und größeren beispielsweise?
ALLE FARBEN: Präferenz ist immer, draußen zu spielen. Wenn ich könnte, würde ich ganzjährig nur draußen spielen. Aber ich glaube das kleine Festival hat genauso was, wie das Große. Denn bei einem kleinen Festival kennst du nach deiner Show jeden, der sozusagen vorne war, dann kennst du alle zweihundert, die mit dir da gefeiert haben. Und bei so einem Riesenfestival, da ist es halt so – du schickst ein bisschen Energie raus und du merkst sofort ein riesiges Rummsen durch die Menge gehen. Das hat natürlich auch was. Beides. Ich könnte es nicht sagen, was ich bevorzuge. Ich will auch beides behalten. Ich will beides machen und mich nicht entscheiden müssen

FRAGE: Wenn man soviel unterwegs ist wie du, verbringt man enorm viel Zeit in Flughäfen, Bahnhöfen und in Autos – wie bewegst du dich – gerade bezogen auf die Festivalsaison, wo du ja fast schon einen eigenen Tourbus bräuchtest – meistens und was macht das Reisen als fester Bestandteil des DJ-Lebens für dich aus?
ALLE FARBEN: Auf die Festivals in Deutschland fahr ich entweder mit dem Zug in die Nähe der Location und von da aus mit dem Auto weiter. Wenn es mal knapp wird, auch mit dem Auto von Festival zu Festival. Klar, wenn es weiter weg ist, nehme ich ein Flieger. Aber so ein Nightliner-Bus – da ich nur eine Person bin – glaube ich nicht, dass es sich lohnen würde, wenn ich mit einem großen Tourbus unterwegs wär. Schön wäre es, aber dem ist nicht so. Mittlerweile fliege ich echt am liebsten, da ich einfach so viel Zeit unterwegs verbringe. Ich liebe eine gute Zugfahrt, aber die dauert eben meistens lang. Aus dem Fenster gucken, Musik hören, sich entspannen – das kann man im Zug doch besser als im Flieger. Meistens braucht der Flieger aber nur eine Stunde, wo der Zug sechs braucht und wenn man so viel unterwegs ist, lernt man das zu lieben, auch mal einfach zwei Stunden Pause zu haben und nicht im Zug zu sitzen – sondern vielleicht im Hotelzimmer zu sein oder einfach später von zu Hause los zu müssen. Das sind so Sachen, die man erst schätzen lernt, glaube ich, wenn man jedes Wochenende nonstop unterwegs ist.

FRAGE: Viele DJs klagen ja über das viele Reisen und das ständige Alleinsein. Wie ist das für dich – wie verbringst du die Zeit unterwegs um zwischen deinen Gigs abzuschalten?
ALLE FARBEN: Schwierig. Ich glaube das Abschalten ist weniger das Problem, als die Einsamkeit unterwegs. Man ist zwar unter Leuten, aber das sind ja selten Leute, die einem nahe stehen. Die fragen dieselben Sachen, die gehen zwar auch mit dir essen – die meisten Veranstalter kümmern sich ja schon gut um ihre Künstler – aber im Grunde genommen bist du dann doch wieder alleine. Ich versuche halt einfach alles Mögliche zu machen, damit ich mich nicht einsam fühle. Ich gucke DVDs, ich spiele Handygames – ich habe mir einen Game Boy gekauft. Ich habe alles schon durch. Ich lese Bücher und zeichne, beschäftige mich mit Essen, gucke auf irgendwelche Blogs im Internet. All das macht man um irgendwie die Zeit rum zu kriegen zwischen den Gigs. Die Gigs an und für sich sind dann die Höhepunkte. Sie sind großartig. Man fiebert auf diese Momente zu. Aber die sind leider immer so kurz.

FRAGE: „Alle Farben“ ist ja inzwischen eine Marke, die von Anfang an von deiner Fancommunity getragen wurde. Wie gehst du damit um, dass dich inzwischen so viele Leute kennen und ‚ein Stück’ von dir wollen?
ALLE FARBEN: Was ich sehr gern mache, ist wenn ich Zeit habe, zu den Fans hinzugehen und zu reden. Oder wenn man mich nach einem Foto fragt, zu versuchen sich die Zeit zu nehmen, um wenigstens ein Foto mit ihnen zu machen. Das ist mir nämlich wichtig und ich finde es sehr schön, denn die Leute beschäftigen sich sehr viel mit meiner Musik oder mit dem, was ich mache. Ich weiß natürlich, dass die Leute das nicht machen, weil sie mir nah sein wollen, sondern weil sie meine Musik gut finden – aber ich versuche ihnen so viel wiederzugeben, wie ich kann, denn wenn jemand sich freut, ein Foto mit mir zu machen, dann bringt mir das genauso viel. Wenn ich beispielsweise auf einem Festival noch 15 Minuten habe bevor ich los muss, dann gehe ich einmal kurz in die erste Reihe und verteile vielleicht Sticker und mache Fotos mit den Leuten. Das ist einfach das, was mich ausmacht und ich habe sehr klar vor Augen, dass ich ohne diese Leute nicht an dem Punkt wäre ich, an dem ich bin. Ich könnte keine Musik verkaufen, keinen Auftritt machen, ohne dass diese Leute zu meinen Auftritten kommen.

FRAGE: Du kriegst ja wahrscheinlich auch sehr viel Fanpost. Wie bei jedem wachsenden Künstler gehört es vermutlich dazu, dass man für viele Sachen keine Zeit mehr hat. Wie gehst du damit um?
ALLE FARBEN: Ich habe sehr vielen sehr viele Mails geschrieben. Ich glaube ich habe eine Zeitlang täglich mindestens ein bis zwei Stunden Mails beantwortet. Nur Fankontakt. Das kann ich leider mittlerweile nicht mehr so viel machen, aber ich versuche trotzdem noch soviel wie möglich selber zu beantworten. Ich glaube das hat es halt auch ausgemacht, dass ich lange Zeit direkten Kontakt hatte und sich jeder Einzelne ernst genommen gefühlt hat – was ich jetzt durch die Größe nicht mehr ganz so machen kann und sehr schade finde. Ich versuche hier und da mal eine Mail zu beantworten. Aber es sind zu viele.

FRAGE: Was steht denn in nächster Zeit bei dir im Vordergrund? Welche Ziele verfolgst du jetzt?
ALLE FARBEN: Ehrlich gesagt habe ich jetzt erst mal Bock auf den Festivalsommer. Das Album ist fertig. Ich setze gerade meinen Lebensfokus auf diese Festivals, weil ich mich da echt sehr drauf freue. Auf das nächste Jahr oder für die weitere Zukunft bin ich gespannt, was es noch so gibt – was die Zukunft für mich bereit hält. Wo ich hinreisen kann. Was es für Festivals auf der Welt gibt, die vielleicht interessant für mich wären und vielleicht außerhalb der normalen Festivalnormen liegen. Vielleicht mal irgendwo auf einer kleinen Insel – ich weiß es nicht, aber ich will gerne sehen, was es gibt.

FRAGE: Was hast du denn so für die Ideen, wie es musikalisch weitergehen könnte nach dem Album?
ALLE FARBEN: Ich bin schon sehr fleißig am Ideen sammeln. Ich glaube mit der Band und dem Album hat für mich ein neues Kapitel angefangen und ich würde gerne mehr in diese Richtung machen. Deshalb denk ich mir, gut einen Punkt gefunden zu haben, wo man das Album fertig hat und dann sich vielleicht auf das Nächste konzentrieren kann. Ich schreibe fleißig Notizen in mein Büchlein von Ideen, die ich habe. Und sobald ich Zeit finde, dann vielleicht auch im Herbst wieder ins Studio zu gehen, werde ich schauen, was man damit machen kann.

FRAGE: Berlin ist ja weltberühmt für seine ausschweifende Feierkultur – Rahmenbedingungen, die es sonst nirgends gibt, erlauben einen einzigartigen Umgang mit elektronischer Musik, vor allem draußen.
ALLE FARBEN: Ich habe mich auch schon oft gefragt: „Überall Glitzerstaub. Was wurde hier gefeiert?“

ALLE FARBEN - SYNESTHESIA
ALLE FARBEN – SYNESTHESIA
FRAGE: Nichtsdestotrotz, gibt es Veränderungen – viele Clubs fallen der zunehmenden Gentrifizierung von Bezirken und Kiezen zum Opfer und illegale Open-Airs wie noch vor einigen Jahren sind immer schwerer zu finden.
ALLE FARBEN: Schon schade für die Partykultur. Ich finde es traurig, glaube aber auch, dass es normal für eine Großstadt ist, sich zu wandeln. Berlin ist zudem Hauptstadt – da ist klar, dass sich hier viel verändert und versucht wird, die Partys vom Kern natürlich etwas fernzuhalten. Gerade deswegen finde ich es halt auch cool, dass die Underground-Szene immer noch – oder vielleicht gerade deshalb – so aktiv ist. Dass in den Parks, wie der Hasenheide oder an anderen Orten immer noch kleine Illegale stattfinden und versucht wird, diese Art von Partykultur hochzuhalten. Was immer schwieriger wird – aber genau das finde ich unterstützenswert.

FRAGE: Es gibt ja viele, die Berlins Hype schon wieder für beendet erklären. Würdest du dem zu stimmen?
ALLE FARBEN: Ich sehe keine dunkle Zukunft für Berlin. Ich sehe nur, dass es einen natürlichen Wandel gibt und man vielleicht wegdenken muss von „Können wir Nähe Potsdamer Platz ein fettes Open Air machen?“ Warum nicht auch die Größe von Berlin nutzen? Es gibt so viele schöne Parks, so viel schöne Flächen. Gut, es ist dann vielleicht ein bisschen anstrengender Richtung Grunewald zu fahren oder so. Aber gerade da, wo man viel Natur hat, ist es doch am schönsten. Ein schönes Open-Air in der Natur ist doch geiler als am Betonklotz.

FRAGE: Zum Abschluss noch mal zu deinem Lieblingshobby – dem Kochen. So unterschiedlich die Leute einer Crowd sind, die man ‚satt’ kriegen möchte, so muss man sich ja schließlich auch auf seine Essensgäste einstellen. Wie gehst du damit und deiner eigenen Glutenunverträglichkeit um?
ALLE FARBEN: Ja. Ich weiss noch gar nicht so lange, dass ich kein Gluten vertrage. Das bringt natürlich eine Herausforderung mit sich beim Kochen – glutenfreies Backen und Kochen ist manchmal nicht ganz so einfach. Aber ich liebe Herausforderungen, was das Kochen angeht. Man muss sich einfach immer wieder umstellen und anpassen –genauso wie ich in dieser Gruppe von Essensgästen auch Leute habe, die vegan essen oder laktoseintolerant sind. Das heißt, wenn du versuchst es beim Kochen allen recht zu machen, dann wird das eine riesen Herausforderung. Aber ich liebe diese Herausforderungen dann und überlege mir ich schon in der Woche davor: „Was könnte ich machen, was alle essen und genießen können?“

FRAGE: Welche Info über dich findet man nicht in der Wikipedia?
ALLE FARBEN: Ich habe auch keinen Führerschein. Das ist auch etwas Besonderes. Vielleicht nicht für einen Berliner. Aber ich glaube, für viele Leute ist es undenkbar keinen Führerschein zu haben. Aber wenn man in Kreuzberg aufgewachsen ist, gab es keinen Moment an dem man gesagt hat, jetzt einen Führerschein. Sondern eher, wow, hätte ich ein Auto dabei, hätte ich keine Chance zu parken.

FRAGE: Und noch ganz kurz – Lieblingssong, Lieblingsound?
ALLE FARBEN: Mein Lieblingssong, mein Lieblingssound – schwere Frage. Ich habe neulich einen Klassiker wieder ausgegraben, den ich gerade sehr gerne spiele und liebe – Man With The Red Face. Ansonsten schwer zu sagen – es gibt so viel tolle Musik, die ich gerne mag und deshalb kein Stück zu dem Track des Moments küren kann. Vielleicht Walking With Elephants von Ten Walls, den finde ich gerade echt großartig.

Alle Farben – Tourdates:

(updates unter www.alle-farben.com)
23.05.14 Wiesbaden – Schlachthof
24.05.14 Leipzig – Täubchenthal
30.05.14 Bern – Kornhausforum
31.05.14 Basel – Kallias Labelnacht
07.06.14 Münster – Fusion Club
08.06.14 Halle – Sputnik Festival
14.06.14 Ravensburg – Kantine
18.06.14 Bingen – Palazzo
18.06.14 Bonn – Tante Rike
27.06.14 Brüssel – Fuse
05.07.14 Graz – Urban Art Forms Festival
06.07.14 Goch – All we want Festival , Kloster Gräfenthal
18.07.14 Neustadt-Glewe – Air Beat One Festival
24.07.14 Diepholz – Appletree Festival
26.07.14 Dortmund – Juicy Beats Festival
01.08.14 Kastellaun – Nature One Festival
02.08.14 Zürich – Hive
03.08.14 Hamburg – Butterland Open Air
09.08.14 Saalburg – SonneMondSterne Festival
15.08.14 Hamburg – Dockville Festival
16.08.14 Neukirchen-Vluyn – Heaven & Hill Open Air / Auf der Halde
23.08.14 Bad Aibling – Echelon Festival
13.09.14 Ravensburg – Taggeflüster Open Air