KIM? „Allez! Allez! Allez!“

KIM? Biografie: Erstens kommt es anders, und zweitens denkt man sowieso zuviel

KIM?
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Schöne Scheiße. So oder ähnlich dürfte die spontan formulierte Reaktion der Bochumer Punk-Formation KIM? gelautet haben, als man ihnen kürzlich mitteilte, dass ihre Plattenfirma GUN leider die Grätsche gemacht hat. Trotz dieses Unglücks hat die Band zum Glück kein Pech: Der Exitus ihres Labels ermöglicht Benny von Schaumschlag, sich endlich mal so richtig durchzukurieren: ausgiebiger Schönheitsschlaf, mysteriöse Zaubercremes, kosmetisches Upgrade durch Tätowierungen, solche Dinge. Bleibt die Frage: Wer ist Benny von Schaumschlag?

Benny von Schaumschlag ist jung, sieht spitze aus und schreibt fast alle Texte für seine Band KIM?, obwohl er auch noch Schlagzeug spielt. Gemeinsam mit seinem Kumpel Trip Tom (Gesang, Bass, Idole auf dem Arm) gründet Benny am Heiligen Abend 2001 eine Band, die er und seine Homies wenig später und nach einem wahrlich unchristlichen Trinkgelage auf den Namen KIND IM MAGEN? taufen. Vielleicht hätten die Jungs die Weihnachtstage doch lieber mit den Eltern verbringen sollen?! Könnte sein. Fest steht dagegen, dass KIND IM MAGEN? heute – acht Jahre nach Gründung und um viele Narben, Konzerte, Fans und einen Gitarristen namens Bugx reicher – nur noch KIM? genannt werden dürfen. Das ist kurz, das ist wilder als es die gleichnamige Pop-Braut aus den Achtzigern jemals war, raucht mindestens genauso heftig wie parfümierte Frauenzigaretten und stinkt nicht. Eine gute Entscheidung also.

KIM allez allez allezEin ähnlich smarter Schachzug gelingt KIM? im Sommer 2008, als sie den entfernt als Instrumente auszumachenden Plunder aus dem bandeigenen Proberaum hieven und im Kölner „Silencio Studio“ wieder zusammenschrauben. Unter fachkundiger Führung des
stress- und geruchsresistenten Produzenten Moritz Enders (u.a. Donots und Blackmail) gelingt es KIM?, ihre auf mindestens 50 verschiedene Songs verstreuten Ideen in 13 kickende Songs zu bündeln – sowas ist echte Arbeit und alles andere als ein Spaziergang! Aber das eingespielte Trio macht aus seiner Not die nötige Tugend und so atmen die in Kürze beim neuen Plattenlabel Columbia unter der Parole „ALLEZ! ALLEZ! ALLEZ!“ erscheinenden Songs den Spirit und die Erfahrung aus sieben gemeinsamen Bandjahren, von seltsamen Begegnungen, unerfüllten Träumen, von Liebe oder dem, was davon übrig blieb – verpackt in wahre, ehrliche Worte und nur selten nett. Aber dafür immer SEHR laut.

Damit setzen KIM? nahtlos das in die Praxis um, was sie von ihren Ziehvätern Rancid, Green Day, Foo Fighters oder den Toten Hosen gelernt haben: Spiel‘ nie ganz sauber, aber immer so schnell wie möglich. Entsprechend furios und zielstrebig drücken Stücke wie „Nein! Nein! Nein!“ oder „Dezibelmedizin“ nach vorne, nur selten abgelöst von nachdenklichen und melancholischen Momenten wie in Liedern wie „Anna“ oder „Zusammen Sind Wir Weniger Allein“. So lassen KIM? zwischen Ansage und Diss noch ausreichend Raum für händereichende Midtempo-Hymnen und knipsen am Ende des Tunnels auch mal das Licht an. Ist doch nett.

wolfsherz kimAls erster Vorbote von „ALLEZ! ALLEZ! ALLEZ!“ schicken KIM? ihr „Wolfsherz“ ins Rennen, ein Stück, das laut Benny von Schaumschlag zunächst als „halbgares Grunge-Stück“ durch den Proberaum hallte, mit ein bisschen Feinschliff aber „zur absoluten Hymne wurde. Ich bin überrascht, was aus diesem Song noch rauszuholen war“. So wurde „Wolfsherz“ zum Appell gegen die grassierende Tumb- und Trägheit einer Generation und zum Manifest gegen die alltäglich tolerierte Tretmühle aus Routine und Gleichgültigkeit. Soviel dazu. Nicht dass es später heißt, die Jungs denken nur von der Bettkante zum Tresen.

So ein neues Album schreit natürlich auch nach einer ausgiebigen Tour, die KIM? nach der Genesung ihrer Schaum schlagenden Beatmaschine natürlich laut- und dezibelstark zurück auf die Festival- und Clubbühnen des Landes und nicht zuletzt sogar nach Helgoland spülen wird. Soll ja so schön sein dort.

KIM? sind:
Trip Tom (Bass, Gesang)
Benny von Schaumschlag (Schlagzeug)
Bugx (Gitarre

www.kim-fragezeichen.de | www.myspace.com/sexyrockrevue

KIM? – Track By Track zu „ALLEZ! ALLEZ! ALLEZ!”

Trip Tom (Bass, Gesang)
Benny von Schaumschlag (Schlagzeug)
Bugx (Gitarre)

1. „ALLEZ! ALLEZ ALLEZ!“
Tom: Ich wusste schon als wir den Song geschrieben haben, dass er den Charakter hat, den ein Opener braucht. Vom Tempo her, vom Drive, hat er genau die Stimmung eingefangen, die wir in den letzten Jahren immer hatten. Das spiegelt er auch textlich wider: Du musst echt viel Scheiße fressen, um nach vorne zu kommen. Aber wenn du hart genug arbeitest, dann wird alles gut.
Benny: Nach sieben Jahren wollten wir den Ist-Zustand von KIM? einfach mal in einen Song packen. Inhaltlich geht’s um Hindernisse, die überwunden werden müssen; und um Beharrlichkeit, die sich auszahlt – wenn sie nicht zu hysterisch wird.
Bugx: Schon als wir den das erste Mal im Proberaum gespielt haben, stand so ein Flair in der Luft. Und während der Studiozeit hatten wir einfach keine andere Möglichkeit, als den Song als Opener zu küren und das Album so zu nennen. Es ist halt einfach eine Ansage.

2. „NEIN! NEIN! NEIN!“
Benny: Ich interpretiere die Lyrics so, dass man Pläne machen kann wie man will – es gibt immer irgendetwas, das diesen Plan zerstört. Gleichzeitig geht es darum, dass das Gras auf der anderen Seite immer grüner ist, vor allem für uns Männer.
Tom: Normalerweise kommen die meisten Texte von Benny, wir arbeiten daran noch zusammen, aber bei „Nein! Nein Nein!“ bin ich mit der Textidee gekommen: Ich habe ein tierisches Problem mit Murphy’s Law; mir passiert grundsätzlich immer das, was mir zu diesem Zeitpunkt nicht passieren sollte. Meine Lieblingszeile ist „Kein Sex wenn man ihn braucht.“ Wenn man auf Tour ist und tierisch spitz, dann geht natürlich gar nichts.
Bugx: Wie lang ist der Song? 1:55? Und nur auf die Fresse.

3. „MEINE ANTWORT“
Bugx: „Meine Antwort“ haben wir ursprünglich als Ballade geschrieben. Als wir im Studio waren, hat uns das aber nicht wirklich gekickt, also haben wir ihn komplett umarrangiert. So hat er sich zu einem meiner absoluten Favoriten entwickelt.
Benny: Ein Song, den wir alle drei am liebsten live spielen.
Tom: Ein ganz spezieller Song. Wir wollten ihn schon wegwerfen, aber eines Abends im Studio haben wir ihn noch mal ausgepackt. Der Song hat sich noch mal richtig gedreht und ist zu einer richtigen Hymne geworden. Er rechnet mit diesen ganzen falschen Freunden ab.
Benny: Es gibt so viele falsche Freunde, die die Bezeichnung „Freunde“ gar nicht verdienen. Aber scheiß drauf: Es gibt auch Leute, die zu dir halten und die dir nachts um fünf die Tür öffnen, eine Johnny Cash-Platte auflegen und dir eine Pizza warm machen. Da sieht die Welt doch gleich ganz anders aus. Das sind echte Freunde!

4. „ANNA“
Benny: „Anna“ ist musikalisch ja eher so eine Pop-Nummer. Einige haben uns geraten, die „Anna, verpiss dich“-Zeile noch raus zu nehmen, und eine weitere Diskussion gab’s bei „Vergiss beim Kiffen das Atmen nicht“. Wir haben das drin gelassen. Das sind die Zeilen, die den Song ausmachen.
Bugx: Ein Song für alle Ex-Freundinnen, die man auf der Welt hat – fuck it.
Tom: Mädchen sind oft ein Grund, warum man Songs schreibt. Oft, weil man enttäuscht ist. manchmal, weil’s einfach nur geil ist. Am besten ist es, wenn man einfach nur abgefuckt ist von Mädchen. Und in „Anna“ musste das einfach mal gesagt werden.

5. „WOLFHERZ“
Tom: Mit dem Song haben wir ein bisschen eine andere Richtung eingeschlagen. Viele Leute sagen, der Song hätte nichts mit Punkrock zu tun, aber textlich beschreibt er diese Rauhheit, die tief aus dem Herz kommt- unterstützt von einem geilen, stampfenden Beat. Ein Song, zu dem man mitnicken muss.
Benny: Das Stück war zunächst eine chaotische Grunge-Nummer, die wir nur selten gespielt haben. Aber im Laufe der Zeit haben wir ein paar Parts entdeckt, die richtig gut waren. Im Studio haben wir noch eine Menge aus dem Song rausgeholt. Der Song setzt sich ein für Spontaneität und gegen die Narkose, die Routine mit sich bringen kann. Routine ist gefährlich, denn man verschließt seine Augen vor Weiterentwicklung und Neuentdeckungen. Außerdem der perfekte Song zum Autofahren.

6. „DIE HOFFNUNG STIRBT ZULETZT“
Benny: Wir haben die Dia-Show auf unserer DVD zu „ALLEZ! ALLEZ! ALLEZ!“ nicht umsonst mit einer Instrumentalversion von „Die Hoffnung Stirbt Zuletzt“ unterlegt, weil das ein unheimlich packender Song ist, der die Szenerie um diese Bandgeschichte sehr gut auf den Punkt bringt.
Tom: Mein Lieblingssong auf der Platte. Anfangs war das ein kleiner, unbedeutender Song, der sich zu einer großen Nummer entwickelt, die mir wirklich tief geht, auch textlich. Da stimmt einfach alles. Er ist einfühlsam, dynamisch, rockt und wird nicht langweilig. Das Stück sagt: Wir sind der kleine Nagel im System, der so ein bisschen nervt.

7. „LIEBESLIED“
Bugx: Dazu muss man nichts sagen.
Tom: Auch wenn es platt klingt: Manchmal darf man mal so ehrlich sein und sagen, dass man liebt.

8. „ICH WILL TANZEN“
Bugx: Ich hatte immer ein kleines Problem mit „Tanzen“, aber mittlerweile kommt der vor allem live ganz gut.
Benny: „Tanzen“ impliziert ja ein Lied im Lied, wenn nämlich der Bettler in der zweiten Strophe über Trauer, Streit, Sorgen und verpasste Chancen singt. Das bringt den Song auf den Punkt. Rock ist immer noch eine Protestform und etwas, auf das seitens autoritärer Personen gerne draufgeschlagen wird – wenn man sich zu lauter, krachiger Musik textlich auflehnt. „Ich will tanzen auf den Mauern die ihr Freiheit nennt.“
Tom: Das Lied ist live gut angekommen, denn dazu kann man kaum still sitzen bleiben.

9. „SCHEISSEGAL“
Benny: „Scheissegal“ haben wir uns einfach getraut. Es war ein Kampf, gerade die ersten Textzeilen durchzubringen – „Arschloch“ ist nicht wirklich lyrisch anspruchsvoll, aber extrem wichtig, weil es eine Klarheit schafft und man so etwas seinem Gegner ruhig mal ins Gesicht sagen kann.
Bugx: Noch eine Ansage. Die ersten zwei Zeilen sagen eigentlich alles.
Tom: „Scheissegal“ – eine absolute Rotznummer, die vor allem live Spaß macht, denn es gibt nur auf die Fresse. Wir hatten Bock zu sagen – ganz platt – „Ey, du bist Scheisse.“ Das darf man mal machen. Gut zum Mittanzen und Mitgrölen.

10. „EINMAL EIN BESSERES LEBEN“
Benny: Bei dem Stück muss ich immer an Bukowski denken: Da sitzt ein Typ an der Bar und hat schon ganz viele Bier intus. Plötzlich kommen ein paar Kumpels von ihm rein – er ist zwar betrunken, aber nicht völlig fertig – und er bestellt für sich und seine Jungs beim Barkeeper „einmal ein besseres Leben, bitte. Ich bezahl‘ das“.
Bugx: Den Song haben wir in einer kleinen Jugendhaus-Küche in Böblingen geschrieben. Wir saßen nach einem Gig sturzbetrunken zusammen und haben das Stück auf einer Akustikgitarre rausgehauen. Dadurch hat das Stück auch eine andere Klangfarbe als der Rest des Albums.
Tom: Jede Rock-Band braucht Akustik-Gitarren. Dafür war dieses Stück einfach prädestiniert.

11. „REGEN“
Benny: Das Stück begleitet uns schon lange, und seit ich denken kann, hat es bei jedem Festival, das wir gespielt haben, bei diesem Lied zu regnen begonnen. Der Track hat einen unglaublichen Einfluss aufs Wetter.
Tom: Eine schön-traurige Nummer, ein klassischer Song, dem auch Streicher ganz gut zu Gesicht gestanden hätten. Aber darauf hatten wir dann doch keinen Bock. Gitarre, Bass, Schlagzeug, Gesang, fertig.

12. „DEZIBELMEDIZIN“
Benny: Wir haben natürlich auch schwierige Phasen durchgemacht, und uns hat Musik immer wieder hochgezogen und Mut gemacht. Diese „Dezibelmedizin“, die ich mir aus den Boxen sauge, die wollen wir unseren Fans auch weitergeben. „Wir sind eure neue Therapie“ ist die Schlüsselzeile.
Tom: „Dezibelmedizin“ hatten wir bereits auf unserer „Wir Gegen Die Welt“-EP, aber der Song ist so stark, dass wir ihn unbedingt auch auf dem Album haben wollten. Musik als Heilmittel – das ist so eine geile Aussage. Und mir half der Song auch über Durststrecken, wenn wir nicht auf Tour waren, und ich habe den nicht aus dem Ohr bekommen. Das ist doch ein gutes Zeichen. Haben wir gut gemacht.

13. „ZUSAMMEN SIND WIR WENIGER ALLEIN“
Benny: Den Song spielen Tom und Bugx alleine, da habe ich frei…
Bugx: Der Song ist Gänsehautgarantie, ein unglaublich schönes Lied.
Tom: Eine Super-Ballade, bei der ich mich stimmlich ein bisschen auslassen konnte. Ich bin da nicht unter einer Soundwand begraben, sondern kann den Charme und die Stimmung besser rüberbringen.

KIM? – „Wer hat das Bier geklaut?“ oder: die Videopremiere zu „Wolfsherz“

Neulich auf dem Festival: „Hier, guck mal, die verteilen Freibier am Ruhr Pilsener Stand!“ „Ja dann nix wie hin!“. Doch die Ernüchterung folgte auf dem Fuße – kein Freibier weit und breit in Sicht.

Den entstehenden Unfrieden kann sich bestimmt jeder bildlich vorstellen, des Rätsels Lösung jedoch (wie die Brauerei kleinlaut eingestehen musste): das Bier war spurlos verschwunden. Während erste Mutmaßungen in Richtung „Bermuda Dreieck“ gingen, haben sich heute die Bochumer Punks von KIM? als Täter geoutet.

Jedoch nicht mit einem schnöden Bekennerschreiben, stattdessen reibt man Salz in die Wunden aller Durstigen, indem man dreist Videoaufnahmen vom Diebstahl in den neuen Videoclip zu „Wolfsherz“ eingebaut hat, den man ab sofort unter diesem Link begutachten kann.

Eine Frage bleibt jedoch – was passiert mit dem ganzen Bier? Wir bleiben dran…